"Der digitale Zug ist abgefahren", kritisierte Thalia-Österreich-Chef Josef Pretzl, in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Presse", dass die Branche die Digitalisierung "verschlafen" habe. Gleichzeitig übte er scharfe Kritik gegenüber der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Bettina Lorentschitsch, Obfrau der Bundessparte Handel in der WKÖ, wies diese Vorwürfe heute, Donnerstag, zurück.

"Beim Fachverband für Buch- und Medienwirtschaft in der WKO ist man tatsächlich der Ansicht, dass die Entwicklung der E-Books nicht stattfindet", so Pretzl gegenüber der "Presse". Leider habe der österreichische Buchhandel die Entwicklung größtenteils verschlafen.

"Wir haben ziemlich Gas gegeben."

"Wenn 70 Prozent aller heimischen Händler zumindest eine Website betreiben, kann man nicht von verschlafen sprechen", so Lorentschitsch am Donnerstag bei einer Pressekonferenz anlässlich der Studienpräsentation "Internet-Einzelhandel". Auch wenn die heimischen Händler etwas später mit dem Internet-Handel angefangen hätten, sei man mittlerweile auf einem sehr guten Niveau: "Wir haben ziemlich Gas gegeben."

Weiters wehrte sich Lorentschitsch gegen den Vorwurf von Pretzl, wonach "insbesondere die Interessenvertretung in Form des Fachverbandes der Wirtschaftskammer" die Veränderungen im digitalen Bereich bisher beharrlich verweigert hätte". Denn laut Lorentschitsch sei es auch nicht Aufgabe der Interessensvertretung, den Unternehmen zu sagen, wie sie die Waren verkaufen sollen: "Wir können nur dabei helfen und Wege aufzeigen." Rene Tritscher, Geschäftsführer der Bundessparte Handel der WKÖ fügte hinzu, dass der Fachverband für Buch- und Medienwirtschaft nicht in der Sparte Handel organisiert sei.

Umsätze

Der rasante Wachstum der Umsätze im Internethandel bringe auch einen "Wermutstropfen" für die heimischen Unternehmer: Sie werden im Internet durch hohe Abgaben etwa in den Bereichen Entsorgung, Urheberrecht und Künstlersozialversicherung gegenüber den ausländischen Anbietern benachteiligt, so Lorentschitsch.

Daher brauche es faire Bedingungen für den österreichischen Handel. "Ich fordere von der österreichischen und der europäischen Politik gleiche Rahmenbedingungen auf allen Ebenen", so Lorentschitsch. Es würde nichts bringen, wenn die österreichische Politik ihre Abgaben ständig erhöhe, denn wenn Kunden im Ausland einkaufen, bekomme Österreich gar keine Steuern. 2013 sind mit 3 Mrd. Euro mehr als die Hälfte der gesamten Ausgaben der Internet-Shopper von 5,9 Mrd. Euro zu ausländischen Unternehmen geflossen.

Durch die geplante Festplattenabgabe seien etwa gewisse Drucker in Österreich nicht mehr verkäuflich und wenn ein USB-Stick dann auch nur einen Euro mehr kostet, wären die Kunden nicht bereit dies zu bezahlen.

Eine große Belastung für die heimischen Unternehmen seien auch die Entsorgungskosten. Die heimischen Unternehmen müssen im Gegensatz zu den ausländischen Unternehmen Entsorgungskoten für alte Elektrogeräte bezahlen. "Ich bin als Händler mit Abgaben konfrontiert, die von ausländischen Händlern nicht eingehoben werden", so Wolfgang Krejcik, Obmann der Sparte Elektrohandel in der WKÖ.

Neben der Forderung nach Chancengleichheit an die Politik, sei auch eine Sensibilisierung der Kunden notwendig: "Durch den Kauf im Ausland werden Arbeitsplätze und Lehrplätze in Österreich vernichtet", so Lorentschitsch. Es sei ganz wichtig, dabei schon bei den Kindern und Jugendlichen anzufangen und diese zu mündige Konsumenten zu machen.

Trend

Der Trend des Online-Shoppings wird sich laut Lorentschitsch fortsetzen. Die Bundessparten-Obfrau rechnet in zehn Jahren mit einem Internet-Anteil von rund 20 Prozent des gesamten Einzelhandelsvolumen. Aktuell macht der heimische Handel mit rund 2,9 Mrd. Euro 4,5 Prozent des gesamten Umsatzes im Internet.

Die Zahl der heimischen Onlineshops ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Waren es im Jahr 2006 nur 3.200 Unternehmen, sind es mittlerweile mit 7.500 Einzelhandelsunternehmen (19 Prozent). Stark im kommen sei auch "Multichanneling", die Kombination von Ladengeschäft und Online-Shop.

"Aufholbedarf gibt es noch bei den kleinsten Händlern, die am wenigsten im Internet vertreten sind", so Lorentschitsch. Außerdem wolle man die Exportquote im heimischen Internet-Handel, die aktuell nur bei 9 Prozent liege, steigern. Die Bundessparte Handel werde daher ihre im vergangenen Jahr gestartete Roadshow "Handel goes WWW" fortsetzen, um ihre Mitglieder weiter zu informieren. (APA, 6.6. 2014)