Budapest - Mehr als 60 ungarische Medienunternehmen haben am Donnerstag vorübergehend ihren Betrieb eingestellt, um gegen eine von der Regierung geplante Sondersteuer zu protestieren. Aus Verärgerung gegen das Gesetzesvorhaben, das einige Branchenvertreter als neuerlichen Schlag gegen die Pressefreiheit in Ungarn kritisierten, stoppten Fernseh- und Radiosender ihr Abendprogramm.

Die großen Zeitungen des Landes gaben für Freitag geschwärzte Titelseiten in Druck, auch Online-Nachrichtenportale beteiligten sich an der Aktion. Sollte der am Montag von der rechtskonservativen Regierungspartei Fidesz ins Parlament eingebrachte Gesetzesvorschlag verabschiedet werden, müssten Medienunternehmen künftig eine bis zu 40-prozentige Steuer auf ihre Werbeeinnahmen abführen.

Facebook und Google sollen zahlen

Die Fidesz dominiert das Parlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Sogar Internetfirmen wie Facebook und Google sollen unter die Neuregelung fallen. Nach Branchenberechnungen würde allein RTL Klub als größter privater Medienkonzern des Landes rund die Hälfte der Steuerabgaben entrichten. Die Firma befindet sich in deutschem Besitz.

"Fidesz will ausländische Medienunternehmen wie RTL Klub, dessen Nachrichtenredaktion ihre kritische Haltung zur Regierung bewahrt hat, aus dem Land drängen", sagte der Medienexperte Attila Mong von der Denkfabrik Mertek der Nachrichtenagentur AFP. Nach Ansicht des RTL-Vorsitzenden in Ungarn, Andreas Rudas, soll die Steuer "unsere Unabhängigkeit und ganz allgemein die freie Meinungsäußerung in Ungarn untergraben". Der ungarische Werbeverband MRSZ sprach von einer Abgabe mit "zerstörerischen" Folgen für die Medienlandschaft in dem EU-Staat.

Wiederholte Rügen der EU-Kommission

Ungarns autoritär regierender Ministerpräsident Viktor Orban hat mit der Zwei-Drittel-Mehrheit seiner Fidesz-Partei bereits unzählige Gesetze durch das Parlament gepaukt und die Gewaltenteilung faktisch ausgehebelt. Der wiederholt von der EU-Kommission gerügte Regierungschef ließ treue Gefolgsleute an die Spitze wichtiger Behörden und Gremien setzen, die Medien wurden faktisch einer staatlichen Zensur unterworfen. Vertrauensmänner Orbans ziehen inzwischen die Fäden am Verfassungsgerichtshof, bei der Justiz, im Rechnungshof, bei der Wahlkommission, bei den Kammern für Finanzaufsicht und Wettbewerb, bei der Zentralbank - und in der Medienaufsichtsbehörde. (APA, 6.6.2014)