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Foto: dpa/gerten

Als ich meine Ernährung veränderte und vegan wurde, fiel es mir zu Beginn schwer, im öffentlichen Raum mal schnell etwas zu essen. Ich wollte aus Prinzip nicht immer nur Beilagen essen, während andere die nichtveganen, "besseren" Sachen bekamen. Mittlerweile haben viele Essensläden vegane Speisen, und manche sind ganz vegan. So ist es in der Öffentlichkeit leichter geworden, sich vegan zu ernähren.

Seitdem ich angefangen habe, mich als Trans*-Weiblichkeit zu definieren, fällt es mir schwer, im öffentlichen Raum einfach mal eine Toilette aufzusuchen. Auf die Toilette zu gehen ist neben dem Essen ein weiteres Grundbedürfnis und für viele eine Selbstverständlichkeit. Darüber muss man im Normalfall - außer dass vielleicht die Toilette nicht sauber genug ist - nicht weiter nachdenken. Im Gegensatz zu den Schwierigkeiten der veganen Ernährung, denen ich z.B. durch mitgenommenes Essen etwas entgegensetzen kann, ist das mit den Toiletten-Besuchen komplizierter.

Die "Wahl" zwischen den zwei Türen "Frau" und "Mann" kann bei mir zu Herzrasen und Angstsituationen führen: Je nach Tagesform und Selbstbewusstsein entscheide ich, ob ich stark genug bin, mich für die für mich "richtigere" Toilette, also die für "Frauen" zu entscheiden. Es schießen mir Geschichten über Gewalt gegen Trans*-Personen auf Toiletten durch den Kopf und Erinnerungen an Erniedrigungen, die ich auf Toiletten erleben musste. Manchmal versuche ich mein Pinkel-Bedürfnis einfach zu unterdrücken. Dann übe ich Gewalt gegen mich selbst aus, weil ich etwas, das ich möchte, unterdrücke - aus Angst, mir könnte Gewalt widerfahren.

In solchen Momenten gehen mir Fragen durch den Kopf:

"Wird mir dort eine Person begegnen?"

"Ist die Toilette stark frequentiert?"

"Sehen mich Menschen und könnten sie mich eventuell davon abhalten, die Toilette zu betreten?"

"Bin ich heute stark genug für eine Diskussion darüber, ob ich die Toilette benutzen darf?"

Diese teilweise scheinbar harmlosen Fragen, die ich mir stelle, führen zu körperlichem Unwohlsein. Das, was Toiletten für manche Personen sind, zum Beispiel Rückzugsräume, sind für mich eher Orte des Unwohlseins. Denn für mich als Trans*-Weiblichkeit ist die Toilette in der Regel kein Rückzugsraum, sondern eher ein Ort, in dem ich kurz ein Bedürfnis verrichte und dann versuche, wieder zu entkommen, ohne diskriminiert zu werden. Ich möchte diesen Raum auch benutzen "dürfen", und ich möchte hier das tun, was die anderen (meistens) auch tun - einfach nur pinkeln.

Im Austausch mit Trans*-Freund_innen habe ich unterschiedliche Ideen mit auf den Weg bekommen, die mir beim Bewältigen der "Toilettenfrage" helfen. Darunter: "Geh doch mit einer befreundeten Person, die dir eventuell den Rücken freihalten kann", "Du musst nicht immer auf die 'richtigere' Toilette gehen: Du selbst weißt, wer du bist und wie du dich definierst, und wenn du nicht stark genug für eine Konfrontation bist und denkst, dass 'die andere' Toilette weniger Konfliktpotenzial mit sich bringt, dann ist das voll okay",  oder: "Du musst Leuten keinen Raum geben, dich anzugreifen. Wenn sie irritiert sind, geh an ihnen vorbei, denn du bist nicht hier, um zu diskutieren, sondern nur, um zu pinkeln."

Bis mehr Akzeptanz und Bewusstsein für Trans*-Menschen in der Gesellschaft vorhanden ist, brauchen wir mehr Unisex-Toiletten - nicht nur in kleinen Kneipen, in denen für mehr Toiletten gar nicht genug Platz wäre, sondern in allen öffentlichen Gebäuden. Die Intention soll dabei sein, einen Raum zu schaffen, in dem grundlegenden Bedürfnissen nachgegangen werden und der als Rückzugsraum dienen kann. Wenn das der Fall ist, mache ich mir irgendwann auch nur noch Gedanken über die Sauberkeit der Toiletten und darüber, dass mein mitgenommenes Essen nicht auf den Boden fällt. (M., daStandard.at, 3.6.2014)