Ein ÖVP-Chef darf die Boshaftigkeit seiner Parteifreunde nie unterschätzen: Michael Spindelegger stellte sich wohl auf ein paar ruhige Wochen ein, als die Partei bei der EU-Wahl einen von Stimmenverlusten geprägten Sieg einfuhr, den er zumindest nicht verhindert hat. Doch statt der Atempause setzt es neuen Aufruhr - und der richtet sich ziemlich direkt gegen den Mann an der Spitze.

Der Vizekanzler solle nicht länger eine rasche Steuerentlastung blockieren, nur weil er partout gegen Vermögenssteuern zur Gegenfinanzierung ist: So lautet die Kritik des Tiroler Arbeiterkammerpräsidenten Erwin Zangerl und des Nationalratsabgeordneten Werner Amon, der sich nach und nach weitere Mandatare anschließen. Spindelegger müssen deshalb nicht gleich die Knie schlottern, denn die Giganten der Partei sind es nicht, die sich da an ihm reiben. Doch wie in der SPÖ, wo Kanzler Werner Faymann manchen Genossen zu lahm erscheint, gilt auch in der ÖVP: Nur ein Teil des Unmuts, der unterhalb der Chefetage brodelt, eruptiert an die Oberfläche.

Es ist kein Wunder, dass ÖVP-Funktionäre, die ihre Partei nicht nur als Anwältin der Betuchten begreifen, die offizielle Linie nicht verstehen. Gott und die Welt hat die mit schwarzen Finanzministern gesegnete Regierung mit ihren Konsolidierungspaketen belastet, doch justament die stark auf eine Oberschicht konzentrierten Vermögen erklärt Spindelegger für sakrosankt; eher bittet er die im Wahlkampf mit Entfesselungsversprechen gelockten Freiberufler zur Kasse, als über eine Erbschaftssteuer, wie sie selbst Angela Merkels Deutschland einhebt, auch nur zu reden. Unentwegt repetiert der Vizekanzler die Schauergeschichte vom Arbeitsplatz- und Standortkiller - da können OECD und Währungsfonds noch so oft feststellen, dass Vermögenssteuern weit wachstumsverträglicher als Abgaben auf Arbeit sind.

Eine "ehrliche" Steuersenkung propagiert Spindelegger, brav erarbeitet durch Einsparungen. Doch wer soll an die ultimative Verwaltungsreform, die schon in der Vergangenheit nie das gebracht hat, was ÖVP-Politiker versprachen, noch glauben? Und selbst wenn es Spindelegger schafft, all die Blockierer wie durch Geisterhand hinwegzufegen, bringt das kein schnelles Geld für eine absehbare Steuersenkung. Die Regierung kann vielleicht "Doppelgleisigkeiten" beseitigen - die Beamten wird sie nicht so schnell los.

Ähnliches gilt für die Pensionen. Ja, das Antrittsalter muss steigen, doch verordnen lässt sich ein großer Sprung vom einen auf den anderen Tag nicht, schon gar nicht in schlechten Zeiten. Die Arbeitsmarktdaten zeigen: Viele ältere Menschen, die nicht mehr in Frühpension können, kosten den Staat dann eben als Arbeitslose Geld.

Raschen Erfolg verspricht am ehesten die Kürzung der Subventionen, doch reichen wird das nicht. Gegen einen Kahlschlag wird auch in der ÖVP ein Aufschrei ertönen - und nicht jede Förderung ist per se überflüssig.

Vermögenssteuern mögen eine kräftige Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer zwar auch nicht zur Gänze finanzieren, machen sie aber allemal realistischer. Will er mit Faymann einen Kompromiss finden, wird Spindelegger letztlich der SPÖ entgegenkommen müssen - oder die Koalition sprengen. Klüger wäre, die Tür eher heute als morgen aufzumachen. Ein erfolgloser Abwehrkampf droht Spindelegger, am Ende doppelt schlechte Nachred einzubringen: Die einen werden ihn Blockierer nennen, die anderen Umfaller. (Gerald John, DER STANDARD, 2.6.2014)