Kiew/Brüssel/Moskau - Auch drei Monate nach dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch halten Demonstranten immer noch Kiews zentralen Platz, den Maidan, besetzt. An diesem Samstag soll mit dem Abbau von Zelten und Barrikaden begonnen werden. Das hat zumindest Igor Kriworutschko, ein führendes Mitglied des militanten Rechten Sektors, zugesagt. Der designierte Präsident Petro Poroschenko, der mit dem nun offiziellen Ergebnis von 54,7 Prozent der Stimmen gesiegt hat, will seine Amtsübernahme am 10. Juni eben auf dem Maidan feiern.

Das Ende der Dauerbelagerung wäre auch aus einem anderen Grund wichtig: Der Friedensplan der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sieht die Entwaffnung aller paramilitärischen Einheiten und die Freigabe aller Verwaltungsgebäude in der Ukraine vor. Die Separatisten im Osten, aber auch Russland fordern stets von der Kiewer Führung, zunächst einmal dort für Ordnung zu sorgen und die Macht des Rechten Sektors einzuschränken, ehe eine Entwaffnung der Aufständischen infrage komme.

Ernsthaftes Interesse der Separatisten an einem von der OSZE vermittelten Ausgleich ist derzeit freilich nicht zu spüren. Am Donnerstag ist ein weiteres OSZE-Team im Gebiet Luhansk festgesetzt worden. Erste von den Aufständischen verbreitete Meldungen über dessen Freilassung wurden von der OSZE später dementiert. Es gebe weiterhin keinen Kontakt zu der Gruppe, teilte die Organisation am Freitag mit.

Gerüchte über Tschetschenen

Auch ein seit Wochenbeginn festgehaltenes Beobachterteam bleibt weiter in der Gewalt der Rebellen, auf deren Seite eine große Anzahl von Tschetschenen kämpfen soll. Der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow widersprach den Gerüchten. Diese bekamen jedoch weitere Nahrung durch die Meldung, dass am Freitag 35 bis 45 Leichen nach Tschetschenien gebracht worden sein sollen - mutmaßlich Opfer der Kämpfe um den Flughafen Donezk. Der Führer der "Luhansker Volksrepublik", Waleri Bolotow, berichtete unterdessen von einem Gesprächsangebot Kiews.

Nach der Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion am Donnerstag in Astana durch Russland, Weißrussland und Kasachstan hat sich EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle in einem Interview mit der Welt langfristig für eine Vollmitgliedschaft der Ukraine, Georgiens und der Republik Moldau in der Europäischen Union ausgesprochen. (André Ballin, DER STANDARD, 31.5.2014)