"Miz Justice" über ihre Street Art: "Der Ursprung meiner Arbeit ist das Intuitive der Zeichnung".

Foto: Miz Justice

Street Art von Frau Isa.

Foto: Frau Isa

In der letzten Maiwoche widmet sich der Aktionsradius Augarten im zweiten Wiener Gemeindebezirk "Urbanen Bewegungen" zwischen Subversivität und Kommerz. Diese Woche sind gleich zwei Veranstaltungen dem Thema Street Art und Graffiti gewidmet. Eine Podiumsdiskussion beschäftigte sich mit der Entwicklung von Kunst im öffentlichen Raum seit 1825, als der 25-jährige Wiener Hofkammerbeamte Joseph Kysalek auf einer viermonatigen Reise die Kronländer mit seinem Namenslogo verzierte.

Am Freitag, 30. Mai 2014, lädt Nicholas Platzer von der Inoperable Street Art Gallery Vienna zu einer Radtour zu einer Auswahl an Street Art Projekten und Graffitis und erzählt über die KünstlerInnen sowie die Entstehung dieser Kunstwerke. Dank Projekten wie Cash Cans & Candy, Blk River Festival und Inoperable Gallery Vienna sind 2013 viele internationale KünstlerInnen nach Wien gekommen, um sich in der Stadt zu verewigen.

Definieren sich nicht über das Geschlecht

Gibt es auch Frauen in der österreichischen Street Art-Szene? "Natürlich", sagt Nathalie Halgand, Galeristin der seit 2008 bestehenden Inoperable Street Art Gallery Vienna. Um diese sichtbarer zu machen, widmet sie ihnen demnächst ein ganzes Buch mit dem Titel: "Women, Street, Art, Studio" (gemeinsam mit Robert Hinterleitner und Daniel Leidenfrost, Verlag der Provinz). Darin werden zehn in Österreich lebende Künstlerinnen portraitiert. "Uns hat interessiert, was die Meinungen und Erfahrungen von Frauen in der Street Art sind", sagt Halgand.

Das Fazit der Galeristin: Diese sind sehr unterschiedlich. "Frauen werden in der männlichen Peer Group akzeptiert, aber es ist schwer", so Halgand. So unterschiedlich wie ihre Arbeitsmethoden mit Kleister, Spraydose oder Schablone, sind ihre Motive. "Welche Rolle sie in dem Feld besetzen, ist ganz individuell, manche arbeiten anonym, andere nicht, manche legal, andere illegal", erzählt Halgand. Und weiter: "Viele definieren sich nicht über ihr Geschlecht." Für die Künstlerin "Lady Jaye" z.B. sei es geradezu ein Ansporn gewesen, dass manche Männer gesagt haben: "Das kannst Du als Mädel nicht." Aber 25 Kilo schwere Kübel mit Dispersionsfarbe und Spraydosen schleppen, das können Frauen auch – wenn sie denn wollen.

"Ich hab mich in unserer Crew nie diskriminiert gefühlt, obwohl ich die einzige Frau war", erzählt "Miz Justice". Die in Villach Geborene ist nach dem Besuch der Ortweinschule in Graz über die Bildende Kunst zur Street Art gekommen und hat nicht – wie die meisten – den umgekehrten Weg beschritten. "Heute ist das ja grad sehr modern, weil sich der kommerzielle Verkauf dafür interessiert", sagt sie. Sie selbst sei 2003 zur Spraydose gekommen, "weil man innerhalb eines Tages ein großes Bild schaffen kann, das im öffentlichen Raum bleibt. Das Medium hat mich begeistert."

Szene mit viel Respekt

Den Donaukanal habe sich die Szene erobert, nach und nach wurden immer mehr Wände legalisiert. Heute sei die Szene viel internationaler als noch vor zehn Jahren, die KünstlerInnen treffen sich auf Grafittijams und Festivals in ganz Europa. "Früher haben wir fast jedes Wochenende gemeinsam an einem Bild gemalt", erzählt sie. Jetzt mache sie gerade aus gesundheitlichen Gründen eine Pause: "In der Schwangerschaft und Stillzeit ist das ja nicht gerade gesund mit den giftigen Farben."

Sie sieht Unterschiede zwischen der Graffitiszene, der es mehr um das Hinterlassen des eigenen Namens gehe – Beispiel "Puber", der ganz Wien mit seinem Namenszug besprühte (derStandard berichtete) – und der Street Art: "Das ist eine Szene mit viel Respekt. Wenn jemand einen Spot entdeckt, wird da nicht von anderen drüber geschmiert." Auch Nathalie Halgand hat die Nase voll von der Diskussion um "Puber": "Als Galeristin hab ich nichts am Hut mit illegalen Aktionen. Ich glaube, auch das Publikum versteht den Unterschied."

Es scheint, dass – zumindest ein Teil der Szene – erwachsen geworden ist. Das kann, muss aber nicht unbedingt mit einer Kommerzialisierung einhergehen: "Unser Dosenverkäufer hat einen Banksy, den er ihm geschenkt hat, um 150 Euro verkauft. Der ärgert sich noch immer", erzählt "Miz Justice" lachend. (Tanja Paar, dieStandard.at, 28.5.2014)