Jean-Claude Juncker besitzt einige Eigenschaften für das Amt des Kommissionspräsidenten - wie Erfahrung und diplomatisches Geschick. Aber ein demokratisches Mandat, das ihm ein Anrecht auf den Posten gibt, hat er trotz breiter Rückendeckung aus dem Europaparlament nicht.

Laut Lissaboner Vertrag wird der Präsident von den Staats- und Regierungschefs ernannt, sie müssen aber das Ergebnis der Europawahlen berücksichtigen. Allerdings ist dieses nicht eindeutig. Junckers EVP ist zwar mit 28 Prozent der Sitze die größte Fraktion, aber nur knapp. Wer einen lebendigen Parlamentarismus wünscht, der hätte auch dem Sozialdemokraten Martin Schulz erlauben sollen, eine alternative Mehrheit zu zimmern.

Und Juncker wurde nicht gewählt. Die Wähler, die zur Urne gingen, entschieden sich für ihre nationalen Kandidaten und Parteien; die europaweiten Spitzenkandidaten spielten im Wahlkampf in keinem Land eine Rolle.

Ohnehin muss der Kommissionschef laut EU-Vertrag im Konsens mit den Regierungen gefunden werden. Die Absicht des Parlaments, ihnen das Mitspracherecht zu verweigern, ist eine Anmaßung, eine Art Verfassungsputsch.

Um einen strahlenden Sieger und herausragenden Kandidaten kämen die Regierungschefs nicht herum. Aber das ist Juncker nicht. Im Wahlkampf wirkte er oft müde, Begeisterung für Europa erweckt er nicht. Es gibt in Europa bessere Anwärter für den Posten. Sie verdienen eine Chance. (Eric Frey, DER STANDARD, 28.5.2014)