Österreichs Linebacker Ramon Azim in Aktion.

Foto: Herbert Kratky
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Wenn Helme lautstark zusammenkrachen, sich hundert Kilo schwere Kolosse aus Muskeln und Fett aneinander reiben und gegenseitig niederrennen, dann ist natürlich nicht Fußball-WM. Die amerikanische Version des Rasenschachs ist Football und dass sich Österreich im Kampf ums Eierlaberl zumindest in Europa vor niemandem verstecken muss, diesen Beweis gilt es anzutreten.

Bei der Heim-Europameisterschaft, die am 30. Mai in St. Pölten anhebt und am 7. Juni beim Finale im Wiener Ernst Happel Stadion gipfeln soll. Sechs Nationen sind am Start, Österreich trifft in der Vorrunde in Graz nach dem 49:7 gegen Dänemark noch auf Frankreich. Der EM-Titel ist das Ziel, der American Football Bund Österreich (AFBÖ) lechzt nach einem Traumfinale gegen Deutschland vor 25.000 Zuschauern im Prater. Es wäre eine Chance auf Revanche, versäumte man bei der EM 2010 in Frankfurt doch nur mit zwei Punkten den Einzug ins Finale und wurde Dritter.

Österreichische Erfolge

Warum Österreich im Football europäische Spitzenklasse ist, auf Klubebene gar acht Eurobowl-Siege eingefahren hat? "Weil es in anderen Ländern nicht ernst genommen wird", sagt Österreichs Headcoach Jakob Dieplinger. Football ist nach wie vor Amateursport, ein 45-Mann-Kader plus ein Dutzend Coaches sind noch immer nicht zu bezahlen. Die Zukunftsmusik: Dieplinger schwebt eine europaweite Profi-Liga vor, mit acht bis zehn Vereinen aus Österreich, Deutschland, Schweiz, Frankreich und Skandinavien.

Dieplinger ist mit 28 Jahren ein sehr junger Headcoach, spielte über zehn Jahre für die Raiders in Innsbruck. Letztes Jahr coachte er die U19-Auswahl erfolgreich zur EM-Titelverteidigung. Der in San Francisco geborene Tiroler sammelte auch Erfahrung als Assistenztrainer an einer US-Highschool in Anaheim, "einem der Top 30-Footballprogramme in den USA". Eine Anstellung kann ihm der Verband nicht bieten, Dieplinger lebt vom Football aber auch vom Honorarnotenschreiben.

Tücken des Amateursports

Für die Spieler ist es noch um ein Eckhaus schwieriger, für die EM inklusive Vorbereitungscamps müssen sie drei Wochen Urlaub nehmen. "95 Prozent der Spieler die wir wollten, haben wir aber bekommen. Ein sehr guter Runningback aus Graz hat uns wegen seinem Medizinstudium abgesagt."

Football ist ein Sport der Kraftlackeln, ohne Taktik geht aber auch nichts. "Es ist eine sehr militärische, unflexible Sportart. Oft werden Laufwege auf den Zentimeter berechnet. Genauso viel Zeit wie auf dem Rasen verbringen wir im Klassenzimmer", sagt Dieplinger. Das Eldorado des Footballs bleibt die NFL. Obwohl es keine Utopie ist, dass ein Österreicher einmal den Sprung in den größten Profizirkus der Welt schafft. "Taktisch und technisch sind wir gut geschult, körperlich aber unterlegen. Die USA sind ein Land mit Millionen von Athleten, Österreich ist sehr klein. Wir müssen mit den Leuten arbeiten, die wir haben."

Körper ja, Skill weniger

Am ehesten schaffen noch bullige Blocker in der Offense- und Defenseline den Sprung über den Teich. "Die Amerikaner stehen total auf riesige Typen mit elendslangen Armen. Die Deutschen haben es vorgemacht, sogar ein Este spielt in der NFL." Nach dem Motto: Der Körper passt, Football bringen wir dir noch bei. "Auf den Skill-Positionen (Quarterback, Receiver etc.) haben wir den Speed nicht."

Der König beim Rasenschach ist der Quarterback. "Es ist die komplexeste Position, ein enormer technischer und taktischer Anspruch. Wenn man es als Quarterback in die NFL schafft, ist man ein einzigartiger Mensch."

Teamsport deluxe

Football ist aber auch die ultimative Teamsportart, Österreich will das bei der EM zeigen. Dieplinger: "Individuell gewinnst du nichts, elf Leute müssen am Feld für ein Ziel fighten. Und du musst den inneren Schweinehund überwinden. Dir stehen Leute gegenüber die dich physisch ausschalten wollen. Das schult mental und charakterlich." (Florian Vetter, derStandard.at, 27.5.2014)