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Der ehemalige "Titanic"-Chefredakteur ist jetzt EU-Parlamentarier. Zumindest für vier Wochen.

Foto: AP/Schreiber

Ein deutscher EU-Abgeordneter der etwas anderen Art wird künftig dem EU-Parlament angehören. Die Satirepartei "Die PARTEI" des ehemaligen "Titanic"-Chefredakteurs Martin Sonneborn hat bei dieser Wahl tatsächlich ein Mandat ergattert, Sonneborn als Spitzenkandidat wird daher nach Straßburg gehen. Dass er dort nicht unbedingt seriöse Sacharbeit leisten will, sondern das Ganze als Ausflug in ein Spaßparlament sieht, hat Sonneborn schon klar gemacht.

Er wird vier Wochen lang Mandatar sein und dann wieder zurücktreten, um jenen Platz zu machen, die auf der Liste der "PARTEI" hinter ihm stehen. "Wir werden versuchen, monatlich zurückzutreten, um 60 Parteimitglieder durchzuschleusen durch das EU-Parlament. Das heißt, dass jedes dieser Mitglieder einmal für 33.000 Euro im Monat sich Brüssel anschauen kann und dann zurücktritt und noch sechs Monate lang Übergangsgeld bezieht. Wir melken also die EU wie ein kleiner südeuropäischer Staat", sagt er.

"Stimmvieh" für EU-Kommission

Ganz so einfach dürfte es aber nicht werden. Denn das EU-Parlament erklärte prompt, Abgeordnete hätten erst nach einem Jahr Anspruch auf Übergangsgeld. Sonneborn könne auch nicht alleine bestimmen, ob sein Sitz frei werde, ein Rücktritt müsse von einem Ausschuss geprüft werden.

Der 49-Jährige, der zur Zeit für die ZDF-Satiresendung "Heuteshow" und "Spiegel Online" arbeitet, ist dennoch guter Dinge und glaubt nicht, der Verrückteste in Straßburg zu sein. Im Parlament sieht er sich als "Stimmvieh", das die Vorlagen der EU-Kommission abnickt. Reizen würde ihn nur der Posten des Kommissionspräsidenten, aber da ist Sonneborn realistisch. Das wird wohl nix, weil er mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel nicht so gut kann.

"Größter Vorsitzender aller Zeiten"

Die 2004 gegründete PARTEI (ein Akronym für Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative), deren GröVaZ (Größter Vorsitzender aller Zeiten) er ist, hatte im Wahlkampf mit dem Slogan "Ja zu Europa, Nein zu Europa" geworben. Ihre Forderungen: eine Faulenquote, eine Million Euro Existenzmaximum für jeden Bürger, Einmauerung der Schweiz, Schwarzfahren muss bezahlbar bleiben. Den "EU-Norm-Penis" lehnt die PARTEI ab.

Sie bekommt deshalb einen Sitz im EU-Parlament, weil es bei dieser EU-Wahl keine Sperrklausel mehr gab. 180.000 Wählerinnen und Wähler stimmten für die PARTEI, das entspricht 0,6 Prozent der abgegebenen Stimmen und eben einem Sitz. Insgesamt sind 14 deutsche Parteien im neuen Parlament in Straßburg vertreten. Dank der Wahl ohne Hürden schafften auch die NPD, die Piraten, die Freien Wähler, die Tierschutzpartei, die Familienpartei und die Ökologisch Demokratische Partei mit je einem Vertreter den Einzug. Mit Drei-Prozent-Klausel hätten sie alle es nicht geschafft.

In Lübeck schon vertreten

Für die PARTEI ist es übrigens nicht der erste Schritt in ein echtes Parlament. Sie ist seit Mai 2013 mit einem Mandatar in der Bürgerschaft von Lübeck vertreten. Bei der bayerischen Kommunalwahl im März erlangte sie einen Sitz im Gemeinderat von Dollnstein (Oberbayern). Auch in den Gemeinderäten von Freiburg, Karlsruhe, Tübingen und Halle wird sie nach den Kommunalwahlen vom Sonntag künftig vertreten sein. (Birgit Baumann, derStandard.at, 27.5.2014)