Vor der Kunsthochschule in einem noblen Kairoer Wohnquartier brechen die Frauen in Jubelgeschrei aus, als ein Jeep der Militärpolizei vorüberfährt. Stimmungsmacherinnen heizen mit nationalistischen Liedern die Atmosphäre vor dem Wahllokal an. Viele der wartenden Wählerinnen tragen ägyptische Fahnen mit sich. Ungeniert wird "lang lebe Ägypten" geträllert, das Kampagnenmotto des Feldmarschalls Abdelfattah al-Sisi.
54 Millionen Ägypter und Ägypterinnen wählen am Montag und am Dienstag einen neuen Präsidenten. An die Urnen drängten vor allem Frauen und ältere Leute. Sie hoffen auf die von Exgeneral Sisi, dem klaren Favoriten, versprochene Stabilität. Die Sicherheitsvorkehrungen waren noch einmal verschärft worden.
Der Andrang ist allerdings geringer als bei früheren Urnengängen nach der Revolution von 2011. Wer hier ist, wählt Sisi. Ausländische Journalisten, die diese Szenen wie aus der Mubarak-Zeit verfolgen, werden mit Argwohn betrachtet. "Ihr wollt einfach nicht verstehen, dass die Ägypter die Armee lieben", verteidigt sich eine der Aktivistinnen.
Bei den Männern in derselben Gegend geht es nüchterner zu. Junge stehen fast keine in der Schlange. Auf die Frage, wie sich Sisis Herrschaft vom Mubarak-System unterscheiden werde, meint ein Geschäftsmann, er dürfe höchstens acht Jahre Präsident bleiben; sonst müsse man vor allem hoffen, dass er fähig sei, die drängenden Probleme zu lösen. Dazu müssten aber auch die Leute mehr arbeiten.
Im Moment gebe es keine Alternative zum Exgeneral, sagt sein Kollege. Der linke Herausforderer Hamdin Sabahi ist an diesem Morgen kein Thema. "Er hatte seine Chance 2012, aber jetzt braucht es einen starken Mann wie Sisi", betont ein weiterer Umstehender.
430.000 Soldaten und Polizisten waren aufgeboten, um diesen Wahlgang zu schützen. Die Anhänger des gestürzten Mohammed Morsi hatten angekündigt, die Wahl verhindern zu wollen. Ihre Protestaktionen fanden nur geringen Zuspruch. Ein größeres Problem könnte für das von der Armee gestützte Regime eine geringe Wahlbeteiligung sein. (Astrid Frefel aus Kairo, DER STANDARD, 27.5.2014)