Nach seinem Sieg bei der Europawahl hat der Vorsitzende der britischen Ukip eine "Professionalisierung" seiner Partei angekündigt. Die über 27 Prozent Stimmen für die EU-Gegner stellten "das außerordentlichste Resultat der letzten 100 Jahre dar", brüstete sich Nigel Farage am Montag in London. Im Hinblick auf die Unterhauswahl 2015 werde er Fachressortsprecher ernennen und die Aktivitäten auf 20 bis 30 Wahlkreise konzentrieren.
Premier David Cameron, dessen Konservative hinter Labour auf Platz drei landeten, sprach von "einer tiefen Desillusionierung über Europa: Ich habe die Botschaft verstanden."
Ukip konnte mindestens 24 Mandate im EU-Parlament gewinnen, elf mehr als 2009. Auch Labour legt zu, die Konservativen fielen hingegen zurück. Eine Katastrophe erlebten die Liberaldemokraten: Der kleine Koalitionspartner verlor die Hälfte seines Stimmanteils und damit zehn der bisher elf Sitze in Brüssel und musste sich zudem hinter den Grünen mit Platz fünf zufriedengeben. Schon formiert sich bei den LibDems eine Gruppe, die den Rücktritt von Parteichef Nick Clegg fordert.
Farage (50) amtiert seit 1999 als Europa-Abgeordneter. Im Wahlkampf präsentierte sich der Privatschulabsolvent und frühere Börsenmakler geschickt als Vertreter der kleinen Leute. Ukip nahm die Bedenken vieler Briten gegen die hunderttausendfache Einwanderung aus ärmeren EU-Staaten auf und drängte damit die etablierten Parteien zum Handeln.
Die EU-Feinde konnten in allen Regionen Großbritanniens mindestens einen Sitz gewinnen - auch in Wales und Schottland. Vor allem in der Nordprovinz hatte die Nationalpartei SNP erhebliche Anstrengungen unternommen, um Ukip als englisches Phänomen zu kennzeichnen. Premier Alex Salmond macht für Schottlands Unabhängigkeit Werbung, indem er Angst schürt vor dem britischen EU-Austritt, den Ukip befürwortet. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 27.5.2014)