In Italien gibt es nur einen einzigen Sieger bei den Europawahlen: Matteo Renzi. Der "Verschrotter", der "Turbo-Reformer" - so seine nicht immer nur freundlich gemeinten Spitznamen - schaffte aus dem Stand, was niemand für möglich gehalten hätte. Sein Triumph stabilisiert Roms krisenanfällige Innenpolitik und sorgt dafür, dass er seine geplanten Reformen ungehindert fortsetzen kann.
Wer ihm jetzt ein Bein stellt, würde bei vorgezogenen Neuwahlen Kopf und Kragen riskieren. Renzi konnte sich im Augenblick des Sieges großzügig zeigen: "Es ist nicht der Erfolg einer Einzelperson, sondern einer Partei." Natürlich weiß der 39-Jährige, dass er die Unwahrheit sagt. Der Sieg ist das Werk eines ebenso unorthodoxen wie ungeduldigen Politikers, der es als erster Linker geschafft hat, in das Wählerreservoir der Rechten einzudringen.
Der postideologische Premier hat in nur drei Monaten zahlreiche Rituale italienischer Politik über Bord geworfen: Verhandlungen mit Gewerkschaften und Unternehmervertretern hält er für überflüssig. Er brach das Tabu der Linken, sich mit Silvio Berlusconi an einen Tisch zu setzen, und kürzte fast im Alleingang die Gehälter der hohen Staatsbeamten. Über elf Millionen Italiener belohnten nun sein irrwitziges Reformtempo mit einem noch vor wenigen Wochen unmöglich erschienenen Plebiszit. Intimfeind Beppe Grillo reagierte auf seine Weise: Er schluckte vor laufender Kamera ein Mittel gegen Magenschmerzen. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 27.5.2014)