Mit knapp 90 Prozent Zustimmung sind die Polen zwar begeisterte EU-Anhänger, doch am Sonntag erwiesen sie sich einmal mehr als Wahlmuffel: nur 23,82 Prozent der Stimmberechtigten machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Die Wahllokale wirkten wie verwaist. Von den wenigen Polen, die sich für die 51 Parlamentarier interessierten, die Polen nach Straßburg schicken kann, stimmten die meisten für konservative, rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien. Die großen Verlierer sind die linken Parteien. Ex-Präsident Alexander Kwasniewski, der die Kampagne für das linksliberale Bündnis "Europa + Deine Bewegung" unterstützte, will sich nach dessen Niederlage endgültig aus der Politik zurückziehen.
Gute Miene zum bösen Spiel machte am Wahlabend Regierungschef Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform. Das Kopf-an Kopf-Rennen mit der rechtsnationalen Recht und Gerechtigkeit von Jaroslaw Kaczynski (31,78 Prozent) hat Tusks Partei mit 32,13 Prozent hauchdünn für sich entschieden. Kaczynski hingegen freute sich, dass seine Katastrophen-Kampagne bei Polens Landbevölkerung so gut angekommen war und er gegenüber den EP-Wahlen 2009 aufholen konnte.
Frauenfeind und Holocaustleugner
Polens Protestwähler, darunter viele junge Menschen, wählten rechtsradikal. Janusz Korwin-Mikke hatte es geschafft, mit seinen provokativ-abstrusen Thesen über Frauen, die "von Natur aus weniger intelligent als Männer " seien und sich "daher vor allem zur Kinderbetreuung eigneten", zum Medienliebling aufzusteigen. Als er dann auch noch einer historisch nicht fest im Sattel sitzenden Journalistin an den Kopf warf, dass es angeblich keinen Beweis für Hitlers Wissen vom Massenmord an den Juden Europas gäbe, konnte diese nicht kontern. Nur Tage nach diesem fatalen "Streitgespräch" brachte seine "Neue Rechte" es aus dem Stand auf 7,15 Prozent der Stimmen.
Medien in Polen, deren Chefs vor allem auf die Einschaltquoten schielen, haben großen Anteil am Erfolg der Rechten in Polen. So bedankte sich denn auch Korwin-Mikke noch in der Wahlnacht bei den Fernsehjournalisten für deren "großartige Wahlhilfe". Durch ihre "Hass-Kampagne" hätten sie ihm keinen größeren Dienst erweisen können. Auch Kaczynski verdankt seinen Erfolg vor allem dem Fernsehen. Seit Jahren berichten Journalisten regelmäßig über die absurden PiS-Pressekonferenzen, der zufolge Donald Tusk und Wladimir Putin 2010 angeblich einen Komplott gegen den damaligen polnischen Präsidenten Lech Kaczynski geschmiedet hätten. An die Verschwörungstheorie vom polnisch-russischen Anschlag gegen Lech Kaczynski, der 2010 in Smolensk bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, glaubt inzwischen fast jeder dritte Pole.
Absurde Kampagne der Linken
Polens Linke wiederum haben sich selbst ausgebootet. Die Wahlkampagne der "Europa + Deine Bewegung" war so absurd, dass die meisten Polen nur die Augen verdrehten und fast schon Mitleid mit den Kandidaten hatten. Diese machten "Brumm-Brumm" und liefen mit Mini-Flugzeugen durchs weiße Bild, fuchtelten mit einem Plastik-Säbel herum oder glotzten leicht belämmert durch einen Holzrahmen. Als dann auch noch herauskam, dass Ex-Präsident Alexander Kwasniewski keinen Deut besser ist als Gerhard Schröder und für gutes Geld eine Firma im Umkreis von Wiktor Janukowitsch, dem Ex-Präsidenten der Ukraine, berät, war das das endgültige Aus für die Partei.
Das Wahlbündnis von Linksallianz (SLD) und Union der Arbeit (UP) wiederum legte einen so blassen Wahlkampf hin, dass es gerade mal fünf Abgeordnete nach Straßburg schicken kann. Wofür diese dort eintreten wollen, ist allerdings unklar. Das gilt allerdings für die meisten anderen der polnischen EU-Parlamentarier genauso. Auf der Strecke geblieben ist bei dieser Europawahl die Idee Europas. Die Polen jedenfalls starten ohne jede Vision in die neue Legislaturperiode. (Gabriele Lesser, derStandard.at, 26.5.2014)