Bei den kroatischen Sozialdemokraten ist man mittlerweile schon froh, wenn man nicht all zu viel verliert. Denn die linksliberale Koalition ist so unbeliebt, dass die knapp 30 Prozent, die die Regierungsliste bei den EU-Wahlen errang, als respektabel gesehen werden - das bedeutet vier der insgesamt elf kroatischen EU-Parlamentarier. Gewinner der Wahl ist die Mitte-Rechts-Liste, angeführt von der konservativen HDZ, die gemeinsam mit weiteren fünf Parteien 41,42 der Stimmen bekam und damit sechs Parlamentarier entsendet, unter anderem die umstrittene Rechtspopulistin Ruža Tomašić, die mit antiserbischen Parolen aufgefallen war. Sie bekam die zweitmeisten Vorzugsstimmen in Kroatien. Tomašić wird aber nicht für die EVP, sondern für die Europäischen Konservativen und Reformisten im EU-Parlament sitzen.
Der kroatische Politikanalyst Davor Gjenero spricht von einem sehr "positiven Ergebnis für die kroatische Demokratie", weil die Konservativen, die gewählt wurden, proeuropäisch und nicht nationalistisch orientiert sind. Gjenero glaubt, dass dies auch Auswirkungen auf die Parlamentswahlen kommendes Jahr haben könnte. Die konservative HDZ gehe wieder mehr in Richtung Mitte des politischen Spektrums, meint er. Tatsächlich kommt aus dem jüngsten EU-Staat keine extrem rechte oder antieuropäische Botschaft. Die nationalistische Liste "Allianz für Kroatien“ konnte zwar fast sieben Prozent erreichen, doch das ist nicht genug, um einen Mandatar nach Brüssel zu entsenden.
Grüner Erfolg als Kritik am Premier
Überraschend gut schnitt die Partei Orah (auf Deutsch Nuss) ab, die von der ehemaligen sozialdemokratischen Umweltministerin Mirela Holy gegründet wurde und als "grün" bezeichnet werden kann. Sie bekam auf Anhieb 9,42 Prozent der Stimmen. Holy musste 2012 ihr Amt als Ministerin aufgeben, weil sie für einen Mitarbeiter interveniert hatte. Gjenero sieht den Erfolg von Holy vor allem als Kritik an Premier Zoran Milanović. Orah sei von einem Flügel der Sozialdemokraten (SDP) unterstützt und finanziert worden, die mit dem autoritären parteiinternen Vorgehen von Milanović unzufrieden gewesen sei, meint Gjenero. "Leider glaube ich aber nicht, dass es in Kroatien bereits soviel politische Kultur gibt, dass eine grüne Partei sich langfristig verankern kann", bleibt er skeptisch. "Orah verfügt über kein Netzwerk und keine Struktur."
Als "Watsche für Milanović" könnte man auch die Tatsache sehen, dass der Sozialdemokrat Tonino Picula die meisten Vorzugsstimmen bekam, obwohl der Premier ihn nur auf den fünften Listenplatz gesetzt hatte und damit ignorierte, wie beliebt der ehemalige Außenminister ist. Piculas Erfolg spiegelt den Machtkampf innerhalb der SDP wieder. Er feierte nicht einmal gemeinsam mit den Parteigranden. "Die Vorzugsstimmen für Picula zeigen, dass die Leute die 'alten Sozialdemokraten' zurückwollen", so Gjenero.
Innerhalb der sozialdemokratischen Partei gibt es seit Monaten auch angesichts der schwachen Performance von Milanović einen heftigen Machtkampf. Zuletzt hatte Milanović den vormals mächtigen Finanzminister Slavko Linić aus seinem Amt gekickt.
Neuwahlen erwartet
Gjenero glaubt, dass es im kommenden Frühjahr Neuwahlen geben wird, weil die Regierung angesichts des zu erwartenden Drucks seitens der neuen EU-Kommission nur schwerlich ein Budget für das kommende Jahr erstellen wird können. Bereits im Dezember und Jänner finden Präsidentschaftswahlen statt.
Der Politologe Marko Kmezić vom Zentrum für Südosteuropa-Studien an der Uni in Graz betont, dass die Ergebnisse in Relation zur geringen Wahlbeteiligung betrachtet werden müssen. So wählten etwa "nur" 370.000 Kroaten die konservative Liste. Insgesamt waren 3,8 Millionen Kroaten wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung lag bei 25,25 Prozent und damit höher als bei der kroatischen EU-Wahl im Vorjahr, an der sich nur 20,84 Prozent beteiligten. Insgesamt kann man von einer Persönlichkeitswahl sprechen. So bekam auch der Chef der serbischen Partei, Milorad Pupovac, viele Vorzugsstimmen. (Adelheid Wölfl, derStandard.at, 26.5.2014)