Entgegen anderslautender Prognosen konnte bei der EU-Wahl am Sonntag ein sichtbares Einbrechen der Wahlbeteiligung verhindert werden. Seit dem Jahr 1979, als das erste Mal Wahlen zum Europäischen Parlament stattfanden, sank die Anzahl der abgegeben Stimmen kontinuierlich, von anfänglich 62 Prozent auf schließlich 43 Prozent im Jahr 2009. Diese negative Entwicklung setzte sich nicht fort. Die kumulierte Wahlbeteiligung aller EU-Staaten blieb am Sonntag nahezu gleich. Mit 43,1 Prozent erreichte man sogar ein winziges Plus.
Trotzdem ist kein klarer Trend zu erkennen, dass die EU-Wahlen an Priorität bei Wählerinnen und Wählern gewonnen haben. Ein hoher Beteiligungsgrad bei der Wahl hing bislang meistens von äußeren Faktoren ab. Entweder einer festgesetzten Wahlpflicht, oder von zeitgleich angesetzten Wahlen auf nationaler oder lokaler Ebene.
So ist etwa auch zu erklären, warum in Lettland dieses Mal um gleich 23,66 Prozent weniger Stimmen abgegeben wurden. Im Jahr 2009 wurden damals zeitgleich auch Lokalwahlen abgehalten, daher auch die Beteiligung von über 53,7 Prozent der Wähler. Das umgekehrte Beispiel lieferte dieses Mal Litauen. Dort war am Sonntag die Präsidentenstichwahl angesetzt, die viele motivierte, zu den Wahllokalen zu gehen. Das Ergebnis: ein starker Anstieg der Beteiligung von 21 Prozent auf 44,9 Prozent.
Ebenfalls erkennbar: In jenen Länder, die in den vergangenen Jahren am stärksten von der Wirtschafts- und Finanzkrise betroffen waren, gingen die Menschen überdurchschnittlich häufig wählen im Vergleich zu anderen EU-Staaten. In Griechenland, Irland und Italien lag die Wahlbeteiligung immer bei 50 bis 60 Prozent.
Slowakische Politiker versuchten im Vorfeld der EU-Wahl vergeblich Wählerinnen und Wähler zum Urnengang zu animieren. Anstatt zumindest die 20 Prozent Hürde zu schaffen, rutschte die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2009 nochmals von 17 auf magere 13 Prozent ab.
Ein eindeutiger Rechtsruck ist in der Parteienlandschaft des EU-Parlaments zu verzeichnen. Zwar verloren in einigen Ländern wie Belgien, den Niederlanden, Bulgarien oder Italien die rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien. Doch die starken Zugewinne jenseits der zehn Prozentmarke vor allem von UKIP, dem Front National und der Dänischen Volkspartei zeigen einen eindeutigen Trend der Wählerschaft zu Rechtsaußen. (fin, tee, derStandard.at, 26.5.2014)