Wien - Im Wiener Straflandesgericht ist am Montag der Prozess gegen Gerhard Bruckberger (47) eröffnet worden, der mit einem weitverzweigten Firmengeflecht seit über zwei Jahrzehnten im Versandhandel und Online-Marketing sowie unter der Marke "Friedrich Müller" als Veranstalter von Gewinnspielen tätig war. Konsumentenschützer hatten wiederholt vor den Praktiken des Gewinnspiel-Betreibers gewarnt.
Seit 4. Februar 2013 sitzt Bruckberger in U-Haft. Wie Staatsanwalt Marcus Böhm in seinem Eingangsstatement erklärte, soll es sich bei ihm um einen gerissenen Betrüger handeln, "der spätestens im Jahr 2000" kriminell geworden sei und unzählige Opfer "abgezockt" habe. Der Angeklagte habe "Hunderttausende, Millionen Gewinnbenachrichtigungen verschickt" und die Empfänger "bewusst getäuscht", indem er ihnen vormachte, das große Los gezogen zu haben.
Gebühr oder Mehrwertnummer
Um den Gewinn einzustreifen, mussten die vorgeblich Glücklichen laut Anklage entweder eine Gebühr zwischen zehn und 100 Euro entrichten oder eine kostenpflichtige Mehrwertnummer anrufen, wobei die Gespräche dem Staatsanwalt zufolge gezielt in die Länge gezogen wurden, um die Kosten in die Höhe zu treiben. Im Durchschnitt habe ein solches Telefonat 16 Minuten gedauert, sagte Böhm. Etliche Personen hätten die geforderte Gebühr per Post abgeschickt, was sich der Staatsanwalt mit dem "Zielpublikum" erklärte, das Bruckberger bewusst ausgewählt habe: Es habe sich dabei "um ältere, zum Teil altersdemente, eher minderintellektuelle, leichtgläubige, einfältige Leute" gehandelt. Nur vier Prozent der Empfänger wären jünger als 59 Jahre gewesen. Die Hälfte der Opfer wären inzwischen tot oder dement und damit nicht mehr einvernahmefähig, sagte Böhm.
Keine Gewinnauszahlung
Die Staatsanwaltschaft hat vorerst nur einen Zeitraum von August bis Dezember 2008 angeklagt und sich dabei auf ausschließlich in Deutschland veranstaltete Gewinnspiele beschränkt. In einem Schädigungszeitraum von 48 Tagen hätten 8.000 Opfer Gebühren von knapp 762.000 Euro bezahlt, ohne dass es zu Gewinnauszahlungen gekommen sei, erklärte der Anklagevertreter. Im Gegenteil, einige Gewinnspiele seien sogar manipuliert worden.
Insgesamt habe Bruckberger im Lauf der Jahre in Europa, aber auch in den USA, Australien und China eine Million Menschen hinters Licht geführt und einen Gesamtschaden von 50 Millionen Euro angerichtet. "Das sind keine Schätzungen, keine Hochrechnungen. Das ist das Ergebnis von Kontounterlagen, die wir haben", stellte Böhm fest, der weitere Anklagen gegen den 47-Jährigen ankündigte ("Auf ihn kommt noch einiges zu"). Sein letztes Gewinnspiel habe der Mann wenige Stunden vor seiner Inhaftierung durchgeführt: "Erst durch die Festnahme konnten seine kriminellen Umtriebe gestoppt werden."
Geprüfte Geschäfte
Gerhard Bruckberger und seine beiden Verteidiger Jürgen Stephan Mertens und Herbert Eichenseder haben nach dem Eröffnungsplädoyer des Staatsanwalts den Vorwurf des gewerbsmäßigen schweren Betrugs zurückgewiesen. Bruckberger berief sich unter anderem auf Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP), der seine Geschäfte geprüft und abgesegnet habe.
Er habe "nicht mit irgendwelchen Winkeladvokaten, sondern den allerbesten Anwälten, der Oberschicht" zusammengearbeitet, betonte der Angeklagte. Neben Brandstetter habe er auch einen dessen Amtsvorgänger - Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer - beschäftigt. Diese hätten in seinem Auftrag Expertisen hinsichtlich seiner Tätigkeit erstattet: "Es gab immer Gutachten, die gesagt haben, das ist in Ordnung. Die Rechtsanwälte haben die Werbemittel jedes Mal schriftlich freigegeben. Von Täuschung kann keine Rede sein."
Versandhandel
Dass er gezielt betagte Personen angeschrieben habe, ließ Bruckberger ebenfalls nicht gelten. Er habe in erster Linie Versandhandel ("Die humanste Art der Bestellung") betrieben. Die Gewinnspiele hätten lediglich dazu gedient, seine Produkte bekannt zu machen. Diese - etwa Gesundheitsschuhe oder ein Mittel namens "Rückenwunder" - hätten sich primär an ältere Menschen gerichtet. Diese hätten "aber auch ein Recht am Markt zu sein" und wären nicht zwangsläufig dement. Einer seiner Rechtsbeistände - Herbert Eichenseder - sei "auch über 50 und nicht senil", betonte Bruckberger.
In den besten Jahren beschäftigte das Firmengeflecht des 47-Jährigen 130 Mitarbeiter und hatte acht Millionen Kunden. Die Erlöse flossen laut Anklage in eine Privatstiftung bzw. vier Gesellschaften, die Bruckberger bzw. seiner Familie zuzurechnen waren. Im anklagegegenständlichen Zeitraum soll er nur zwei Gewinne von insgesamt 45.000 Euro ausbezahlt, seinen Kunden demgegenüber aber unter dem Schlagwort "Wir machen Millionäre!" versichert haben, es würden wöchentlich 1.200 Gewinne ausgeschüttet.
Viele Kunden als Zeugen
Es gebe keinen einzigen Geschädigten, hielt dem Verteidiger Mertens entgegen. In seiner Replik auf den Anklagevortrag kündigte er an, er werde 2.200 Kunden als Zeugen beantragen, die jeweils an einem Gewinnspiel teilgenommen, dies verstanden und "gewonnen" hätten. Oftmals hätten die Betreffenden ja werthaltige Gutscheine - etwa für Reisen - bekommen. Die Teilnahme an den Gewinnspielen sei außerdem kostenlos gewesen, und auf schriftliche Aufforderung habe man auch die Gebühren zurückerstattet.
4,2 Millionen Euro habe er zurückbezahlt, präzisierte Bruckberger dahin gehend. Die Anklage sei folglich "eine persönliche Beleidigung". Der ehemalige Finanzminister Andreas Staribacher habe als Wirtschaftsprüfer alles für rechtens befunden, die gegen ihn gerichteten Vorhalte daher haltlos: "So was regt mich wirklich auf. Ich bin ein redlicher Kaufmann. Ich habe das 22 Jahre lang gemacht." Er habe in dieser Zeit 33 Millionen "Werbemittel" verschickt. Nur 1,19 Prozent der Empfänger hätten überhaupt eine Gebühr bezahlt. Die anderen hätten sein Material vermutlich "weggeworfen". Nur eine verschwindend geringe Anzahl von 150 Personen hätte ihn im Lauf der Jahre anzeigt. Die anderen hätten "auf jeden Fall einen Wertbonus" erhalten und zumindest "eine wunderschöne Reise in die Türkei" gemacht, gab Bruckberger zu Protokoll. (APA, 26.5.2014)