STANDARD: Soll man Ihnen zum Wahlerfolg gratulieren oder war es gar keiner?
Meinl-Reisinger: Es ist ein Erfolg, denn wir sind gewachsen. Aber ich will nicht herumeiern: Wir haben immer gesagt, das Ziel sind zehn Prozent, zwei Mandate – und das haben wir nicht erreicht.
STANDARD: Das heißt, ein Wahlsieg mit Schmerzen?
Meinl-Reisinger: Ja, mit einem Zwacken.
STANDARD: Wo tut‘s am meisten weh?
Meinl-Reisinger: Am meisten tut mir weh, dass Stefan Windberger, der auf Platz zwei kandidiert hat, nicht drinnen ist. Es wäre schon ein tolles Signal gewesen, so einen junges, engagiertes, Talent nach Brüssel zu schicken.
STANDARD: Ist nicht auch Wien ein Schmerzpunkt, wo man mit 8,5 Prozent doch deutlich unter den Erwartungen geblieben ist? Oder das verlorene Match Neos-Grüne?
Meinl-Reisinger: Mich als Wiener Landeschefin schmerzt das eigentlich nicht so. Es ist ein gutes Ergebnis. Das Match Neos-Grüne habe ich immer für einen Hype gehalten. Trotzdem, es stimmt: Ich habe auch in Wien zehn Prozent als Ziel genannt. Im persönlichen Gespräch haben mir viele gesagt, dass sie Othmar Karas gewählt haben weil er gute Arbeit gemacht hat. Und da haben sie auch Recht. Umgekehrt haben wir natürlich diese Zuspitzung „die Neos wollen das Wasser privatisieren“ – was, ich sag‘s jetzt auch hier nocheinmal in aller Deutlichkeit, nicht stimmt – in Wien schon auch stark zu spüren bekommen. In den bürgerlichen Bezirken liegen wir unter dem Ergebnis der Nationalratswahl.
STANDARD: Beim Thema Wasser fühlen sich die Neos missverstanden. Aber sind nicht auch Positionen wie das EU-Heer etwas, das für manche einfach zu radikal ist?
Meinl-Reisinger: Ja, ich glaube auch, dass die Vereinigten Staaten von Europa für viele zu radikal sind. Aber das war eine bewusste Entscheidung, zu sagen:_Wir sind die Speerspitze der pro-europäischen Kräfte in Österreich. Und dazu gehört auch eine Vision, wohin man eigentlich will mit diesem Europa. Das ist kein Mehrheitsprogramm, aber es ist uns ein Anliegen.
STANDARD: Hier wird es also kein inhaltliches Nachschärfen geben?
Meinl-Reisinger: Nein, wir bleiben bei unserer pro-europäischen Haltung.
STANDARD: War Angelika Mlinar die richtige Kandidatin?
Meinl-Reisinger: Was ich schade finde ist, dass es uns allen und somit auch ihr nicht gelungen ist, ihre Leidenschaft und Erfahrung für die Europapolitik ausreichend in den Vordergrund zu stellen. Angelika Mlinar ist ein Profi. Stattdessen haben wir uns auf Nebenschauplätzen aufgehalten, die eigentlich für eine Europawahl nicht relevant sind.
STANDARD: Ist Mlinar auch in der medialen Darstellung ein Profi?
Meinl-Reisinger: Gerade mit ihrer medialen Wirkung hatten durchaus auch andere Spitzenkandidaten ihre Schwierigkeiten in diesem Wahlkampf. Natürlich mag es auch eine Rolle spielen, dass sie ist wie sie ist, gerne lacht, eigentlich ein sehr sonniger Typ ist. Das trägt aber in den Medien nicht zum Bild einer kompetenten Frau bei . Ich betone – in den Medien. Sie ist es. Aber man muss auch sagen: Alle haben diese overcoachten Typen satt.
STANDARD: Was heißt das Ergebnis in Hinblick auf die Wienwahl?
Meinl-Reisinger: Wir müssen uns in der Kommunikation auf unsere Kernthemen fokussieren. Und die sind in Wien die gleichen wie auf Bundesebene oder in Europa. Nämlich Generationengerechtigkeit, Bildung, Transparenz und Partizipation. (Karin Riss, derStandard.at, 26.5.2014)