In Deutschland haben bei der EU-Wahl ersten Prognosen zufolge die Sozialdemokraten zugelegt, während die Union keine großen Gewinne verbuchen konnte. Die SPD profitierte damit auch vom "Schulz-Effekt": Martin Schulz, der zugleich Spitzenkandidat der Europäischen und der deutschen Sozialdemokraten war, hatte in Deutschland viele Auftritte absolviert.

Zu den Siegern des Abends zählt vor allem die eurokritische "Alternative für Deutschland" (AfD). Diese war im Herbst, bei der Bundestagswahl, noch mit 4,7 Prozent knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Jetzt liegt sie darüber.

Die AfD kämpft für die Auflösung des Euro, sie will die starken Euroländer wie Deutschland und Österreich künftig in einem Nord-Euro vereinen, die Südländer in einem Süd-Euro. Als Spitzenkandidat war der Ökonom Bernd Lucke angetreten, auf Listenplatz zwei lag der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, der sich in den vergangenen Jahren vom Euro-Befürworter zum Euro-Gegner gewandelt hat.

Doch um das Überspringen einer Hürde mussten sich die deutschen Parteien diesmal ohnehin keine Sorgen machen, da das Verfassungsgericht die Drei-Prozent-Hürde vor der EU-Wahl für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar erklärt hatte. Somit wird auch die FDP, die wie bei der Bundestagswahl schwach abschnitt, wieder im EU-Parlament vertreten sein.

Die EU-Wahl in Deutschland war natürlich auch ein erster Stimmungstest für die große Koalition; das Interesse an Europa ist auch in der Bundesrepublik überschaubar. Acht Monate sind seit der Bundestagswahl vergangen, bei der die Sozialdemokraten rund 15 Punkte hinter der Union landeten. In Umfragen ist es ihnen seither nicht gelungen, Boden gutzumachen, obwohl die SPD in der deutschen Bundesregierung den Ton angibt.

Wichtige Vorhaben wie der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde, höhere Pensionen für Mütter und langjährig Versicherte oder die Reform der Ökostromförderung stammen aus SPD-Ministerien. Doch SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel kommt an die Werte von Angela Merkel nicht heran. Die CDU hatte im EU-Wahlkampf auch voll auf die Popularität der Kanzlerin gesetzt und vor allem deren Gesicht plakatiert.  (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 26.5.2014)