Istanbul/Köln - Bei Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und türkischen Sicherheitskräften in Istanbul hat es einen zweiten Toten gegeben. Die zwei Todesfälle innerhalb von zwei Tagen werfen einen Schatten auf die für Samstag geplante Rede von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in Köln, gegen die Demonstrationen angekündigt sind. Kritiker befürchten, Erdogan könnte die Rede als Wahlkampf-Auftritt nutzen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel rief Erdogan zur Zurückhaltung bei seiner für Samstagnachmittag in Köln geplanten Rede auf. "Ich gehe davon aus, dass er weiß, wie sensibel dieser Termin gerade diesmal ist, und dass er verantwortungsvoll auftritt", sagte die CDU-Vorsitzende der "Saarbrücker Zeitung". Politiker von CDU und CSU haben Erdogan auch vor dem Hintergrund der Bergwerkskatastrophe einen Verzicht auf den Auftritt nahegelegt.

Passant erschossen

Die Unruhen im Istanbuler Arbeiterviertel Okmeydani waren ausgebrochen, nachdem ein Passant am Donnerstagabend an Schussverletzungen gestorben war, die er am Morgen am Rande von Protesten erlitten hatte. Ein Mann erlag in der Nacht zum Freitag nach Angaben von Provinzgouverneur Hüseyin Avni Mutlu seinen Verletzungen, die er durch eine Splittergranate erlitten hatte.

Erdogan ist zuletzt wegen des verheerenden Grubenunglücks im türkischen Soma in die Kritik geraten, bei dem 301 Bergleute starben. Dem Regierungschef wird vorgeworfen, die Katastrophe verharmlost zu haben und eine Mitverantwortung für laxe Sicherheitsstandards zu tragen. Für Unmut in der Bevölkerung sorgen auch Korruptionsskandale rund um die Familie Erdogan. Das gewaltsame Vorgehen gegen die Proteste im vergangenen Sommer und die vorübergehende Sperre des Internetdienstes Twitter belasten das Verhältnis europäischer Staaten und der Türkei zusätzlich. (APA/Reuters, 23.5.2014)