Kaiserliche Ruhestätte beim Festival Steudltenn: "Der letzte Ritter oder Liebt Europa!"

Foto: Christian Wind

Bernadette Abendstein.

Foto: privat
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Uderns im Zillertal - Am Kirchweg Nummer 22 in der Zillertaler Ortschaft Uderns war schon immer was los. In dem alten Bauernhaus der Familie Abendstein trafen einander schon im vorletzten Jahrhundert Händler zum Warentausch. Das Zillertal war eine Handelsroute in Richtung Süden und die Zillertaler Berge voller Schmugglerpfade. Stoffe und Schnäpse wurden getauscht, auch Butter und Honig. Heute kommen die Leute, weil es Theater gibt.

Bernadette Abendstein, vormals Ensemblemitglied am Theater in der Josefstadt in Wien, wollte ihrer Heimatgemeinde ihre Kunst irgendwann nicht weiter vorenthalten und hat vor vier Jahren gemeinsam mit ihrem Mann, dem Regisseur Hakon Hirzenberger, vor Ort das Festival Steudltenn ins Leben gerufen - benannt nach dem Hausnamen des Hofes. Neben dem Wald4tler Hoftheater im niederösterreichischen Pürbach existiert seither ein weiterer Standort der Kategorie "Bauernhof goes Theaterbühne". Der Heustadl wurde als Bühne adaptiert, Marc Pircher war schon da (er hat nicht weit), Justus Neumann, Alfons Haider, die Mascheks, Hermann Beil und Christian Dolezal.

Wer von auswärts kommt, "kimmt von draußt eina", zum Beispiel mit der Zillertalbahn von Jenbach taleinwärts vorbei an "Schweinekontrollstation" und Trachtenoutlets. Die Bahnhofsstation in Uderns liegt in Gehweite zum Theater. Alle Kinder, die zu Kindertheateraufführungen anreisen, dürfen gratis mit der Zillertalbahn fahren - eine bemerkenswerte Errungenschaft, die von der Durchsetzungskraft und vom Vernetzungsgeschick des Intendantenpaares zeugt. Auch ein altes, nunmehr orange lackiertes Feuerwehrauto konnten sie dem ehemaligen Kommandanten (der Papa) als Theaterkutsche abluchsen.

Derzeit steht eine Uraufführung auf dem Spielplan, die musikalisch durchtränkte Kapuzinergruft-Farce Der letzte Ritter oder Liebt Europa! von Hakon Hirzenberger. Das Stück macht die prominentesten Habsburger wieder lebendig, um sie mit jenseitig gepuderten Gesichtern über die Entwicklungen, die das Projekt Europa mittelfristig genommen hat, fachsimpeln zu lassen. Es geht gesalzen zu. Denn wie der Gruftwärter namens Bratfisch (!) zu Beginn einräumt, weilen die einbalsamierten Durchlauchten ja ohne ihre Gehirne und Innereien in den Sarkophagen.

Mehr noch als um Europa geht es um die Charakterzüge der versammelten Monarchen: Maria Theresia thront als gestandene Urmutter wie ihr eigenes Denkmal über allen, mit durchtrainierten Pobacken lehnt Sissy (sic!) am Sockel dieser ewigen Ruhestätte; Franz Joseph wiederum versteht bei Emanzipation nur Marzipan. Auch Mozart schaut vorbei, Andreas Hofer und Margarete Maultasch. Der berühmte habsburgische Kammerdiener und "Hofmohr" Angelo Soliman singt so gut, wie es keiner der anderen kann, ein Lied.

Und Maximilian I., der den Beinamen "der letzte Ritter" trug, ein Möchtegerntiroler (er hat das Land ab 1490 regiert), schmachtet auf der Seitenbühne, vor seinem Grabmal in der Innsbrucker Hofkirche, vor Liebe zu seiner fernen Gattin Maria von Burgund. Sie alle hatten auf ihre Weise am Zusammenwachsen Europas ihren Anteil, ihr Blick auf heute fällt aber eher kabarettistisch aus. Viel mehr beschäftigt sie der drohende Konkurs der Kapuzinergruft, ein Sanierungskonzept muss her ... Theaternebel, kräftiges Licht und lebhaft gurgelnde Musik von Moritz Hierländer vermischen sich zum pompösen Abgesang.

Allein im Vorjahr hat das Steudltenn-Festival 10.000 Besucher gezählt. Papa Johann Abendstein kennt das ganze Zillertal und wirbt persönlich um sein Publikum. Sogar die Garage hat er geopfert. Die Fleischerhaken, auf denen normalerweise seine Gämsen hängen, hat sich die Garderobiere längst zunutze gemacht. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 23.5.2014)