Coldplay leiden mit ihrem Sänger Chris Martin (dritter von links). Der trennt sich gerade von Gwyneth Paltrow. Irgendwie halt.

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Kommt man dieser Tage in die Verlegenheit, sich für Coldplay zu interessieren, stößt man auf Lebensberatung, nach der man gar keinen Bedarf angemeldet hatte. Gwyneth Paltrow und Chris Martin trennen sich nämlich gerade.

Irgendwie halt. So wie man das heute zivil und aufgeklärt stemmt, wenn sie im Beruf Hollywood- und er Popstar ist. Conscious Uncoupling heißt das im Trennungsbegleiterjargon. Ein Sufi Guru soll seine Hände mit im Spiel haben. Kurz der Zwischenstand vom letzten Wochenende: Sie wohnen noch zusammen, waren gemeinsam im Urlaub und gehen regelmäßig miteinander essen. Interessante Trennung. Wir bleiben dran.

In der Zwischenzeit soll Ghost Stories ein wenig Zerstreuung bringen. So heißt das neue Album der britischen Band Coldplay, der Martin vorsteht. Zufälligerweise ergeben diese zehn Lieder ein Konzeptalbum zum Thema Trennung. Da wie dort könnte man behaupten, die Beteiligten würden noch üben.

Pop mit Selbsterfahrung

Denn natürlich bimmeln alle Alarmglocken, wenn Coldplay laut über ein Beziehungsende nachdenken und darüber in Mollstimmung verfallen. Schließlich gelten sie als Superstars des sensiblen Pop mit Selbsterfahrungshintergrund. Als solche lösten sie um das Millennium die im Jahrzehnt davor den Ton angegeben habenden Prolos von Oasis und Co ab. Wie heißt's? Es kommt nix Besseres nach. Aber gut, alles hat seine Berechtigung, und auf ihrem Album Viva la Vida or Death and All His Friends gelang ihnen mit dem Lied Lost sogar ein Vorstoß ins kalte Kritikerherz. Es geht halt nix über eine Kirchenorgel. Fragen Sie Toni Faber.

Produziert hat das damals, 2008, Brian Eno. 2013 nahm man Typen wie Timbaland in die Pflicht, um der Trademark des Heulbojensounds ein modernes Kleidchen anzumessen. Das ist gelungen, und das ist gleichzeitig die Katastrophe dieses Albums. Denn das Gewinsel Martins, der sich in "Pain" wälzt, wird derart in elektronischen Tüll verpackt, dass bei gelernten Österreichern die Christian-Kolonowits-Narbe zu nässen und jucken beginnt.

Während im Hintergrund also der Synthesizerperserteppich und Zeitlupenbeats hochgefahren werden, denkt Martin über True Love nach: "Remember once upon a time / when I was yours and you were mine."

Kurz Wikipedia befragt, nein, Martin ist nicht 17, sondern 37, hat also keine Ausrede mehr für derlei Pofel. Bei Ocean tröpfeln elektronische Tropfen auf die Lagerfeuergitarre, dann knallen die vier Buben durch: Es folgt eine Entgleisung.

Das ist zwar etwas, was man sich angesichts der bis hierher vernommenen Mischung aus Dodellyrik und Schmalzpop nur wünschen kann, aber A Sky full of Stars klingt wie der Soundtrack eines Magenheberkarussells im Wurschtelprater. Wird hier im Justin-Bieber-Schrägstrich-Scooter-Teich gefischt? Das Ergebnis ist befremdlich und nicht einmal in jenem Ausmaß prollig, dass man sagen könnte, Coldplay wissen wenigstens, was sie tun. Zu diesem Lied hüpfen heuer wahrscheinlich überall in der westlichen Welt Sachbearbeiter in farblosen Bundfaltenhosen beim Erreichen der Weihnachtsfeierekstase.

Aber eines schafft Ghost Stories. Man möchte sich bei Coldplay entschuldigen. All das bisher unterstellte Trantütentum muss mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückgenommen werden. Derlei Unterstellungen wurden voreilig ausgesprochen. Denn im Vergleich zu Ghost Stories war alles bisher erste Sahne, geistreiches Songwritertum, hohe Tonsetzerkunst. Ghost Stories aber, das ist tatsächlich zum Fürchten. (Karl Fluch, Rondo, DER STANDARD, 23.5.2014)