Wien - Es war ein Abend voller Warnungen. Anlässlich jüngster Diskussionen über die mögliche Abwanderung von Industriebetrieben wie der Voestalpine und Banken wie der Erste Group veranstaltete die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG am Dienstag eine Podiumsdiskussion, die die Frage beantworten sollte: Ist der Wirtschaftsstandort in Gefahr? Spitzenmanager haben die Frage gleich erweitert und mehrere Gefahren identifiziert: eine hohe Steuerquote, das regulatorische Korsett und gut ausgebildete Talente, die Österreich angesichts besserer Standorte zusehends abhandenkommen.

Günter Thumser, Präsident der Henkel Central Eastern Europe GmbH, kritisierte die im internationalen Vergleich hohen Arbeitskosten in Österreich aufgrund der Abgabenbelastung des Faktors Arbeit: "Wir zahlen hier verdammt viel mehr brutto." Das mache den Standort Österreich gerade für internationale Firmensitze unattraktiver. "Heute hat Österreich 305 Headquarters, und es ist fraglich, wie viele wir in fünf oder zehn Jahren haben", stimmte Günther Ofner, Vorstandsmitglied der Flughafen Wien AG, überein.

Flexibles Humankapital

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) zeigte für viele geäußerte Kritikpunkte Verständnis. Er sprach davon, dass "netto und brutto nicht mehr zusammenpassen" und relativ rasch eine Steuerreform über die Bühne gehen müsse.

Viele der von Thumser kritisierten "standortstörenden Regeln", etwa zum Zehn-Stunden-Arbeitstag, würde der Wirtschaftsminister gerne lockern. Auch den eingemahnten Prozess zur Entbürokratisierung werde diese Regierung angehen. Insgesamt stehe Österreich nach wie vor gut da, betonte Mitterlehner und machte einen Ausblick: "Österreich wird auch 2020 gut aufgestellt sein."

Die Zeit laufe aber gegen die Politik, betonte Thomas Fahnemann, Vorstandsvorsitzender der Industriegruppe Semperit. Trotz der hohen Lebensqualität in Wien werde es "immer schwieriger, international gute Leute nach Österreich zu bekommen". Das Steuersystem werde zu einer immer höheren Hürde im internationalen Kampf um Talente. "Nicht nur Kapital ist mobil, auch das Humankapital ist flexibel", fügte Hans Zöchling, Partner bei KPMG, hinzu. (sulu, DER STANDARD, 22.5.2014)