Das "Sunny Eye" ist nach der Biomimikry-Methode gebaut und dient als Ladegerät.

Foto: Berkes

Wien - Eine Getränkedose, eine Thunfischdose, eine Linse - das sind die nach außen sichtbaren Bestandteile einer kleinen technischen Innovation. "Sunny Eye" heißt das aus Abfallprodukten zusammengestellte Objekt, das als solarbetriebenes Handyladegerät verwendet werden kann. Die technische Konstruktion ist von Erfindungen der Natur inspiriert - von der Sonnenblume und dem Auge.

"Sunny Eye" funktioniert folgendermaßen: Eine bewegliche Linse dreht sich mit der Sonne (wie die Sonnenblume) und projiziert die Sonnenstrahlen auf einen Punkt (wie das Auge), um damit einen Stirlingmotor zu betreiben. Dieser liefert dann den Strom, um etwa ein Handy zu laden.

Bei technischen Problemstellungen die Natur zu befragen und nachzuahmen: Das ist die grundlegende Idee von Biomimikry, ein Forschungsfeld, das sich ausgehend von der Biologie entwickelt hat. An der Fachhochschule Burgenland am Campus Pinkafeld wurde seit vergangenem September eines der ersten Forschungsprojekte zu Biomimikry in Österreich durchgeführt, in dessen Rahmen auch "Sunny Eye" entstanden ist.

In dem von Éva Berkes initiierten Projekt waren rund 50 Studierende beteiligt. 30 Studierende des Bachelor-Studiengangs Energie- und Umweltmanagement arbeiteten mit Tourismus-, Wirtschafts- und Jusstudierenden der Strathmore University in Nairobi, Kenia, zusammen - in einem ersten Schritt online, für den Projektabschluss Ende Mai kamen zehn Studierende aus Kenia ins Burgenland. Finanziert wurde das Projekt von den beiden Hochschulen und dem Verein "Harambee Africa International".

Ziel war es, nachhaltige Lösungen für Probleme bei Wasserversorgung und Solarenergie zu finden. Ob diese realisiert werden können, hängt nun davon ab, ob Geldgeber gefunden werden.

Was würde die Natur tun?

Den Anfang nahm Biomimikry Mitte der 1990er-Jahre in den Vereinigten Staaten. In das von den beiden amerikanischen Biologinnen Janine Benyus und Dayna Baumeister gegründete Biomimikry-Institut im US-Bundestaat Montana kommen Menschen aus aller Welt, um sich zu Biomimikry-Experten ausbilden zu lassen.

Ein TED-Talk und das 2002 erschienene Buch Biomimicry: Innovation Inspired by Nature haben das Konzept in den vergangenen Jahren immer bekannter gemacht - Probleme der Energiegewinnung, der Nahrungsherstellung, Infrastruktur oder auch Wirtschaftsmodelle können auf Biomimikry-Art angegangen werden, wobei man dabei immer der Frage folgt: Was würde die Natur in dieser Situation tun?

Dass das nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll sein kann, zeigt sich an der langen Liste an Unternehmen, die schon mit Biomimikry gearbeitet haben, darunter der Flugzeughersteller Boeing, die US-Weltraumbehörde Nasa, die Energiekonzerne General Electric und Shell, das IT-Unternehmen Hewlett-Packard und Coca-Cola.

Biomimikry, das "ist nicht wirklich Technologie oder Biologie, es ist die Technologie der Biologie", schreibt Benyus, es bedeutet, "wie die Spinne ein Netz zu weben oder wie ein Blatt die Sonnenergie einzufangen" . Regina Rowland, zertifizierte Biomimikry-Spezialistin, die ebenfalls am Projekt der FH Burgenland beteiligt war, erzählt von einem Tunnel, in dem das Geräusch des einfahrenden Zugs massiv reduziert werden konnte - durch das Vorbild eines Vogels, der fast geräuschlos ins Wasser eintaucht.

Wichtig ist in der Biomimikry der "Ethos", sagt Rowland - es ist eine "Philosophie der Nachhaltigkeit". Und dieser Ethos unterscheide die Biomimikry von ihren Schwesterdisziplinen der Bionik oder Biometrik, in denen die Natur zwar auch als Ideengeberin genutzt wird, "aber eine Strategie der Natur zu nutzen heißt noch nicht, dass die Lösung nachhaltig ist", sagt Rowland. (trat, DER STANDARD, 21.5.2014)