Spät, aber doch: die Pressekonferenz zur Bekanntgabe der vorläufigen Endergebnisse der Parlamentswahlen vom 30. April.

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Bagdad/Wien – Die vorläufigen Endergebnisse der irakischen Parlamentswahlen am 30. April bringen eine Überraschung und erlauben eine Prognose: Premier Nuri al-Maliki siegt klarer als erwartet, auch wenn seine Liste weit von einer Mehrheit im Parlament entfernt ist. Und die Regierungsbildung dürfte noch schwieriger werden als nach den Wahlen 2010. Da dauerte sie acht Monate.

Maliki will zum dritten Mal Regierungschef werden, nach diesem Sieg wird er kaum auf die Forderungen eingehen, in die zweite Reihe zurückzutreten. Das Mitglied der religiösen Dawa-Partei kam 2006 als Ersatzkandidat der Schiiten zum Zug, weil die anderen Gruppen, besonders die Kurden – und auch die US-Administration im Irak -, seinen Vorgänger Ibrahim al-Jafari nicht mehr wollten. 2010 verlor er ganz knapp gegen Ayad al-Allawi, dem es gelungen war, nicht nur Säkulare, sondern auch religiöse Sunniten hinter sich zu sammeln. Diese Koalition gibt es nicht mehr – die Opposition ist völlig fraktioniert.

Malikis "Rechtsstaats"-Allianz wird nach unterschiedlichen Berechnungen 92 bis 94 Mandate im 328-Sitze-Parlament haben (die Unterschiede ergeben sich daraus, dass ihm zwei einzeln angetretene Kandidaten zugerechnet werden können). Für eine Mehrheit von 165 Mandaten braucht er also mehr als einen Partner.

Die nächststarken Gruppen sind mit etwa je 30 Mandaten zwei schiitische Gruppen: die Sadristen und eine Schiitenkoalition unter Führung der ISCI (Islamischer Höchster Rat), wobei die Partei von Muktada al-Sadr nach dessen Abgang aus der Politik verloren und die ISCI dazugewonnen hat, aber nicht so massiv, wie von manchen prognostiziert. Auch Malikis schiitische Mitbewerber sagen, dass sie ihn als Premier abgelöst sehen möchten. Beide kommen aber weiterhin auch als Koalitionspartner infrage. Mit schiitischen Kleinparteien wäre wahrscheinlich sogar eine panschiitische Mehrheit für eine Regierung möglich. 2010 intervenierte der Iran und überzeugte Sadr, Maliki doch noch zu unterstützen.

Allawi (Wataniya) kommt auf 21 Sitze, sein ehemaliger Partner, Parlamentssprecher Osama al-Nujaifi (Mutahhidun), kommt als stärkster Sunnit auf 28. Bei den Kurden sind diesmal die beiden großen Parteien KDP (Kurdische Demokratische Partei) und PUK (Patriotische Union Kurdistans) einzeln angetreten und kommen auf 25 und um die 20 Sitze, die Protestpartei Gorran und kurdische islamische Parteien haben noch einmal etwa 15. Ingesamt geht noch eine erkleckliche Anzahl von Sitzen an kleinere und an Kleinstparteien, etliche davon wird Maliki einsammeln können.

Stimmenkauf und Wahlbetrug waren zwar Thema, aber insgesamt gelten die Wahlen als glaubwürdig. Die Wähler (Beteiligung 60 Prozent) haben also Maliki das Vertrauen ausgesprochen – obwohl sich sogar die schiitische Geistlichkeit in Najaf von ihm distanzierte. Von seinen Gegnern werden Maliki autoritäre Tendenzen und eine antisunnitische Politik vorgeworfen, die den fragilen Irak weiter spaltet. Teile von Falluja und anderer Städte in der Provinz Anbar, wo sich sunnitischer Extremismus festsetzt, sind noch immer außer Kontrolle Bagdads.

Interessant werden die nächsten Schritte der Kurden sein. Obwohl ihre Beziehungen zu Maliki kaum schlechter sein könnten, bleiben sie mögliche Partner: Wobei ihnen Maliki schon 2010 für ihre Unterstützung Ölautonomie, ein Referendum über die mit den Arabern umstrittenen Gebiete und anderes versprochen und dann nichts gehalten hat.

Die Kurden möchten jedoch das Präsidentenamt wieder haben, das neu besetzt werden muss – Staatspräsident Jalal Talabani ist nach einem Schlaganfall amtsunfähig. Als möglicher Kandidat gilt auch der jetzige kurdische Regionalpräsident Massud Barzani. Aber die arabischen Sunniten wollen das Amt ebenfalls. Im Parlament wird über Regierung und Präsidentenamt als Gesamtpaket entschieden. Wenn die Kurden den Präsidenten wollen, brauchen sie Maliki. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 21.5.2014)