Die Rhetorik des selbsternannten Kommandanten der "Libyschen Nationalen Armee", Khalifa Haftar, verweist auf sein Vorbild: den ägyptischen Exarmeechef und Präsident in spe Abdulfattah al-Sisi, der angetreten ist, sein Land von den Muslimbrüdern zu befreien. "Würde" heißt die Operation, die Haftar - mit einigen abgesprungenen Armeeeinheiten und Luftwaffe an seiner Seite - in Bengasi gegen islamistische Gruppen gestartet hat. In der Hauptstadt Tripolis griffen im Auftrag Haftars Milizen aus Zintan das Parlament an, weil dort die Schuldigen für die islamistischen Umtriebe in Libyen zu finden seien.

Dass Haftar das Parlament mit der Verfassungsgebenden Versammlung ersetzen wollte, zeigt, dass er Legitimität sucht. Auch sein Argument, dass das Eingreifen in Bengasi nötig war, weil der wachsende Islamistenterror das Leben - und die geplanten Wahlen im Sommer schon überhaupt - unmöglich macht, weist in diese Richtung. Besonders in Bengasi, wo die Entfremdung von Tripolis täglich größer wird, gibt es dafür Verständnis. Auch Haftar will, wie Sisi, sein Land vor den Islamisten "retten".

Der Sisi von Libyen wird der alte Kampfgefährte und spätere Feind Muammar al-Gaddafis dennoch nicht so leicht werden. In Libyen ist die politische Szene viel fraktionierter als im binären Ägypten. Wenn Zintan hinter Haftar steht, dann bedeutet das gleichzeitig, dass die Stadt Misrata - mit den mächtigsten Milizen von allen - zur Regierung hält. (DER STANDARD, 20.5.2014)