Im Streit ums Budget gibt es in der Regierung von Kanzler Werner Faymann (re.) und Vizekanzler Michael Spindelegger gegenseitige Schuldzuweisungen.

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Statt eines einträchtigen Budgetbeschlusses am Freitag drohen bis dahin Chaostage im Parlament: Die Neos wollen bei der Debatte über den Haushaltsplan das Plenum verlassen. Die Grünen überlegen, gegen den Finanzminister einen Misstrauensantrag einzubringen. Die Blauen bereiten diverse Anträge zur Beseitigung der kalten Progression vor. Und die ÖVP, die den Finanzminister stellt, schimpft jetzt schon über das "peinliche Donnergrollen" der Opposition.

Seit Michael Spindeleggers Brief nach Brüssel im STANDARD publik wurde, in dem der oberste Wächter über das Budget angekündigt hat, noch eine zusätzliche Milliarde im Land aufzubringen, fühlen sich bis auf die Kanzlerpartei SPÖ alle anderen Fraktionen hintergangen - noch dazu, wo Spindeleggers Finanzstaatssekretär Jochen Danninger am Montag diese Zahl auf 650 Millionen hinunterrevidierte. "Die Zahlen, die wir erhalten haben, stimmen nicht. Wir haben uns noch nie in dieser Dreistigkeit verarschen lassen", echauffiert sich Neos-Boss Matthias Strolz. "Entweder wurde das Parlament belogen oder die EU-Kommission", ärgert sich die grüne Obfrau Eva Glawischnig. "Einen weiteren Beleg dafür", dass man Spindeleggers Budget "nicht ernst nehmen kann", macht FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aus.

"Verlogene Panikmache"

ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka schießt im STANDARD-Gespräch ebenso scharf zurück: Offenbar habe die Opposition beim Budgethearing geschlafen, Finanzminister Spindelegger habe dort sehr wohl die Möglichkeit des Nachschärfens und einen strikteren Vollzug angekündigt. Auch den Brief nach Brüssel habe er erwähnt. Die Panikmache der Opposition, allen voran der Neos, sei daher "verlogen". Er spricht von "einer künstlichen Aufregung, um Aufmerksamkeit zu erhalten".

Wegen all der Aufregung startet die Budgetwoche im Parlament heute, Dienstag, schon um acht Uhr morgens mit einer Sonderpräsidiale, die Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ("diese Woche wird wahrscheinlich heftig") auf Begehren der Neos einberufen hat. Denn die Fraktion besteht angesichts des fragwürdigen Zahlenmaterials auf einer Verschiebung des Parlamentsprogramms, ansonsten gebe es pinken Plenums-Auszug. Ähnlich die Grünen, die die Materie ebenfalls zurück an den zuständigen Ausschuss verweisen wollen.

Angesichts der oppositionellen Drohungen hatten SPÖ und ÖVP am Montag alle Hände voll zu tun, ihre jüngsten Haushaltsvorhaben zu rechtfertigen. Im Detail versuchte Finanzstaatssekretär Danninger, die Zahlen zu relativieren: Konkret gehe es nur um 650 Millionen Euro, 300 Millionen Euro kämen aus der Hoffnung auf eine bessere Konjunkturlage und den daraus resultierenden höheren Einnahmen des Finanzministers.

"Intensiv verhandeln"

Und selbst die 650 Millionen Euro, die aus diversen Maßnahmen sowohl einnahmen- als auch ausgabenseitig zusammengerechnet wurden, stünden so noch nicht fest: "Wir werden sie nicht alle ausschöpfen müssen", erklärte Danninger. Zur Strafsteuer auf Selbstanzeigen bei Steuerbetrug erklärte der ÖVP-Staatssekretär, diese werde nun "intensiv" mit der Wirtschaft und dem Koalitionspartner verhandelt.

Kritik übte Danninger aber auch an der SPÖ: Der runde Tisch, zu dem Infrastrukturministerin Doris Bures in Sachen "Breitbandmilliarde" (geplanter Internetausbau, vor allem im ländlichen Raum, Anm.) lud, sei nicht mit der ÖVP abgesprochen. "Das ist eine grundsätzliche Frage, wo wir jetzt auch als Regierung aufgerufen sind, ein geschlossenes Bild abzugeben." Bundeskanzler Werner Faymann müsse in dieser Frage für eine einheitliche Linie im SPÖ-Regierungsteam sorgen, meint Danninger. "Und da habe ich in letzter Zeit etwas das Gefühl, dass er dieser Aufgabe nicht genügend nachkommt."

Diese Kritik am Kanzler wurde am Montag in der ÖVP gleich mehrfach geäußert. Klubchef Lopatka sagt: "Es gibt einen Regierungschef. In dieser Situation ist auch der Kanzler gefragt. Faymann muss tätig werden. Sein Platz ist nicht in der Zuschauerloge, der Kanzler muss aufs Spielfeld. Die notwendigen Reformen mit den Ländern müssen jetzt endlich angegangen werden."

Im Finanzministerium macht man sich kaum Hoffnungen, dass Faymann in dieser Woche noch irgendetwas angeht, die SPÖ ist offenbar "voll im Wahlkampfmodus", heißt es. Der Vorwurf: Die SPÖ habe ihre Länder nicht informiert, der Kanzler habe noch nicht einmal einen Gesprächstermin angesetzt, das Vorgehen sei nicht akkordiert. Das Problem seien nicht die Länder, sondern die SPÖ. Und dass Steßl vom vereinbarten Paket jetzt nichts mehr wissen wolle, sei ganz typisch für die Unzuverlässigkeit der SPÖ.

Die SPÖ schickte ihren Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos vor: Der deutete die Attacken der ÖVP als "Ausdruck der steigenden Nervosität". Die SPÖ bleibe jedenfalls dabei: "Eine rasche Steuerreform, die untere und mittlere Einkommensgruppen entlastet, ist überfällig und wirtschaftspolitisch sinnvoll. Auch ÖVP-intern gibt es zunehmend Widerstand gegen die millionärsfreundliche Linie der Parteispitze und das Njet zu einer Entlastung der Arbeitnehmer." (Michael Völker, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 20.5.2014)