In Obrenovac.

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Von Hochwasser und/oder Erdrutsch betroffene Gebiete (blau).

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Belgrad/Sarajevo/Zagreb - In den Hochwassergebieten von Serbien, Bosnien und Kroatien ist keine Entspannung in Sicht. Nachdem die Überflutungen in den drei Ländern bereits mehr als 40 Tote gefordert haben, steigt nun die Gefahr durch Landminen, darüber hinaus droht der Ausbruch von Seuchen. Von den Überschwemmungen besonders betroffen sind die Gebiete entlang der Save.

Am Montag rief das Innenministerium in der serbischen Hauptstadt Belgrad dazu auf, Sandsäcke in das Sammelzentrum in Neu-Belgrad zu bringen. Freiwillige Helfer wurden dringend gesucht, um an der Mündung der Save in die Donau Schutzdämme zu errichten, um die Überflutung eines der größten Wohngebiete der Hauptstadt zu verhindern.

Rigoroses Vorgehen der Polizei

In Serbien sind am Montag zwei weitere Menschen ums Leben gekommen. Sie hatten sich nahe der Kleinstadt Savac geweigert, ihre Häuser zu verlassen. In den Hochwassergebieten geht die Angst vor Plünderungen um. Innenminister Nebojsa Stefanovic kündigte ein rigoroses Vorgehen der Polizei an, um derartige Vorkommnisse zu verhindern. Sondereinheiten sind bereits in der größtenteils unter Wasser stehenden Stadt Obrenovac unterwegs, um Plünderer zu fassen. Die Bewohner werden erst zurückkehren können, wenn Militär und Gesundheitsdienste die gröbste Desinfektion vorgenommen haben. Veterinärdienste, die Tierkadaver beseitigen, sind seit Sonntag im Einsatz.

Große Sorgen bereitete in Obrenovac auch das Kohlekraftwerk, auf das zusammen mit jenem in Kostolac drei Viertel der Stromproduktion des Landes entfallen. Bei Kostolac wurde die Save in einen neu errichteten Kanal umgeleitet.

Am Montagvormittag galt die größte Aufmerksamkeit der Situation in Sid und Sremska Mitrovica an der Grenze zu Kroatien, wo die Save, die in Kroatien über die Ufer getreten ist, die Region zu überschwemmen drohte. Hilfsmannschaften aus 17 Staaten, darunter Österreich, wurden in die Region entsandt. In Mali Zvornik, einer serbischen Kleinstadt an der Grenze zu Bosnien, drohte ein massiver Erdrusch den Grenzfluss Drina zu blockieren. Dadurch war auch die bosnische Stadt Zvornik am gegenüberliegenden Flussufer von Überflutungen bedroht.

Schutzdamm aus zwei Millionen Sandsäcken

In Bosnien war die Lage in Orasje besorgniserregend. An der Save wurde ein Schutzdamm aus zwei Millionen Sandsäcken errichtet, meldeten Medien. Im Gebiet von Zenica wurden unterdessen Dutzende Erdrutsche registriert. Im Dorf Serici, das nur mit Hubschraubern erreichbar ist, wurden mehrere Häuser von Schlammmassen mitgerissen.

Die Minenaktionszentren (MAC) in Bosnien, Kroatien und Serbien stellten ein Team zusammen, das die Gefahr der Sprengkörper aus dem Krieg in den 1990er-Jahren einschätzen soll. "Es gibt keine nicht-tödliche Mine", sagte Sasa Obradovic vom MAC in Sarajevo. Befürchtet wird, dass die Minen von Wasser und Schlamm weggeschwemmt werden könnten. Eine Mine sei auch nach Jahren noch eine tödliche Gefahr, selbst wenn der Zündmechanismus feucht geworden sei. Das Hochwasser habe auch Schilder zerstört, die vor den Sprengkörpern warnten, erläuterte Obradovic. Aus dem Krieg zwischen Serben, Kroaten und Muslimen liegen laut MAC noch etwa 120.000 Landminen in Bosnien-Herzegowina.

Im Osten Kroatiens sind etwa 15.000 Menschen vom Hochwasser bedroht, viele von ihnen haben ihre Häuser verlassen müssen. Am Wochenende starb ein Mann, zwei Menschen gelten als vermisst. Die Hochwassergefahr sei noch nicht gebannt, sagte Ivica Plisic, Generaldirektor der Wasserwirtschaftsbehörde "Hrvatske Vode". Evakuierungen waren noch im Gange.

In zahlreichen Ortschaften in Slawonien im Osten des Landes brachen die Dämme der Save. Bilder aus der Krisenregion zeigten, dass das Wasser ganze Orte verschluckt hat, teilweise, wie etwa in Gunja, ragten nur die Dächer hervor. In Slavonski Brod wurden in der Nacht auf Montag präventiv 715 Menschen in Sicherheit gebracht. Im Landesteil Slawonien-Baranja bleiben die Schulen in dieser Woche geschlossen.

EU-Kommission sicherte Balkan Wiederaufbauhilfe zu

Nach Angaben von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat die EU-Kommission den von Hochwasser betroffenen Balkan-Staaten Kroatien, Serbien und Bosnien ihre Hilfe zugesichert. Dabei gehe es nicht nur um Rettungskräfte aus EU-Ländern, die sich bereits im Einsatz befinden, sondern auch um Gelder für den Wiederaufbau, sagte Kurz am Montag.

Für den Wiederaufbau können nun Kroatien und Serbien, nicht aber Bosnien, bei der EU Gelder aus dem Solidaritätsfonds beantragen. Dieser steht Mitgliedsstaaten und Beitrittskandidaten nach schweren Katastrophen zur Verfügung, um öffentliche Infrastruktur zu reparieren und die Kosten für Nothilfe zu tragen. Serbien und Kroatien hätten bereits angekündigt, um die Gelder anzusuchen, sagte EU-Kommissar Johannes Hahn laut einer Sprecherin. Es bleibe bis Ende Juli, Anfang August dafür Zeit.

Die Unterstützung für den Wiederaufbau hängt vom Gesamtschaden ab, der erst in den kommenden Wochen erhoben wird. Dabei sind allein für Serbien Hilfen von bis zu 100 Millionen Euro möglich, heißt es aus EU-Kreisen.

450 Helfer im Einsatz

Aber auch Bosnien-Herzegowina soll EU-Gelder erhalten. "Es braucht Hilfe der Union sowohl für Serbien als auch für Bosnien. Ich bin froh, dass beide Kommissare mir zugesichert haben, dass es Bestrebungen der EU geben wird, hier Unterstützung zu leisten", sagte Außenminister Kurz. Die Mittel für Bosnien könnten nach seinen Angaben aus dem Bereich humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz der EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa kommen, auch könnte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle aus seinen Mitteln etwas beisteuern.

Die EU leistet in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten bereits Katastrophenhilfe. Nach Angaben der EU-Kommission sind bereits 450 Helfer aus 14 EU-Ländern im Einsatz. EU-Kommissarin Georgiewa sagte vor Journalisten, die Lage besonders in Bosnien sei "sehr komplex" - nicht nur wegen der politischen Lage und der Spaltung des Landes zwischen verschiedenen Ethnien, sondern auch, da viele Landminen aus dem Balkankrieg noch immer nicht geräumt wurden und nun auch die Hilfsmaßnahmen behindern. (APA, 19.5.2014)