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Österreich muss mehr in die Forschung investieren, um nicht zurück zu fallen - so die Pharmig.

Foto: Daniel Maurer/ap

Ein Drittel des Forschungs-Outputs Österreichs stammt aus der klinischen Forschung an Patienten an Universitätskliniken und Krankenhäusern. Doch mit dem Stagnieren der Wissenschaftsinvestitionen insgesamt wird dieser bisher von der Wissenschaftspolitik stiefmütterlich behandelte Bereich noch einmal geschädigt werden, warnen österreichische Experten.

Forschungsquote sinkt 

Auf der einen Seite ist es in Österreich das Ziel, die Forschungsquote (Anteil am BIP Anmerkung) bis 2020 auf 3,76 Prozent zu erhöhen. Aktuell sagt die Statistik Austria vorher, dass der Anteil im kommenden Jahr von 2,9 auf 2,88 Prozent leicht sinken wird. "Das ist keine gute Ausgangslage. Es geht nicht um das Erhalten, sondern um den Ausbau. Das erreicht man nicht mit Stagnation", sagt Jan Oliver Huber, Generalsekretär des Verbandes der österreichischen Pharmaindustrie (Pharmig).

In die klinische Forschung - vor allem in internationale Studien der Phase III (Wirksamkeit, Sicherheit) - steckt die zum größten Teil internationale Pharmaindustrie in Österreich pro Jahr rund 150 bis 200 Millionen Euro. Das bringt Know-How und den beteiligten Patienten, derzeit sind es fast 7.000, die potenziellen Therapien der Zukunft und eine optimale Versorgung. Die Spitalserhalter profitieren von der kostenlosen Bereitstellung der Therapeutika, was die Bundesländer als hauptsächliche Kostenträger des Krankenhaussektors eigentlich begrüßen müssten.

Doch gerade hier droht Gefahr. "Durch die Harmonisierung der klinischen Forschung auf EU-Ebene wird ab 2016/2017 der österreichische Vorteil schneller Entscheidungen wegfallen", sagt Wolfgang Bonitz, Leiter des Arbeitskreises für klinische Forschung in der Pharmig. Österreich hatte bisher nämlich bei einem Antrag auf die Durchführung einer klinischen Studie nur eine Frist von 35 Tagen statt in vielen anderen EU-Ländern eine von 60 Tagen. Die Forschung der Pharmaindustrie geht aber dorthin, wo die Untersuchungen qualitativ hochwertig und möglichst reibungslos durchgeführt werden können.

Koordinierung verbessern 

Nur durch einen schnellen Ausbau der organisatorischen und fachlichen Kapazitäten an den Universitätskliniken und an den österreichischen Krankenhäusern für solche Projekte könnte er zu erwartende Nachteil ausgeglichen werden, betonte Bonitz. So sollten nicht nur die MedUnis Koordinierungsstellen für klinische Studien einrichten, sondern beispielsweise auch die Krankenanstaltenträger. An den einzelnen Krankenhäusern mit Studienzentren müssten eigene Studienkoordinatoren (Study Nurses) installiert werden, welche die notwendige organisatorische Unterstützung für solche Studien bieten.

Gerade die MedUnis und die Krankenhausträger müssten aber auch noch die Bürokratie vereinfachen. "Die Vertragsgestaltung für solche Projekte ist außerordentlich komplex und langwierig", sagt Bonitz. Wer hier möglichst einfache Abläufe installiert, könnte auch in Zukunft die Nase vorn haben, weil gerade in der klinischen Forschung die Schnelligkeit der Abwicklung überragende Bedeutung besitzt.

Erst in den vergangenen Jahren wurde versucht, die akademische, also nicht von der Pharmaindustrie finanzierte und in der Therapieentwicklung eher späte (Phase III) klinische Forschung zu fördern. Das entsprechende Programm wurde ganz in diesen integriert. Doch auf deutlich mehr Finanzmittel kann man nicht hoffen. Gerade mit der Unterstützung der frühen klinischen Forschung (Phase I und Phase II) hätte man aber bessere Chancen, auch an den großen internationalen Studien (Phase III) teilzunehmen.

Mehr Netzwerke

Markus Müller, klinischer Pharmakologe an der MedUni Wien, nannte eine ganze Reihe von möglichen Maßnahmen, um diesen Sektor zu stärken: So müsste die personelle Basis für die Durchführung klinischer Studien gestärkt werden. Unterstützt werden sollte auch die Netzwerkbildung zwischen MedUnis und Universitätskliniken mit interessierten anderen Krankenhäusern bis hin zu niedergelassenen Ärzten.

In Niederösterreich habe man es vor Jahren den Landeskrankenhäusern faktisch unmöglich gemacht, an klinischen Studien teilzunehmen. Studien unter Beteiligung von niedergelassenen Fachärzten und Allgemeinmedizinern dürften ebenfalls wichtiger werden. Dazu fehle aber in Österreich die Datenbasis, in der Gesundheitsinformationen zu finden seien.

Schließlich fallen Europa und Österreich hinter anderen Weltregionen auch in der technischen Infrastruktur immer weiter zurück. "Am Beijing Genomic Institute stehen hundert Gen-Sequenziermaschinen. Wir haben an der MedUni Wien mit dem CeMM (Forschungszentrum für Molekulare Medizin) zwei", so der Wiener Experte. Wenn man nicht mehr in die Forschung investiere, werde man in zehn Jahren anderen Regionen nur noch "nachschauen" können.

Auch die zunehmende Tendenz der Politik in Österreich in einer Legislaturperiode eine Strategie, in der nächsten eine andere zu verfolgen, sehen die Experten als deutliches Manko in der Forschungspolitik an. Man benötige einen langfristige Strategie, zu der sich auch alle Entscheidungsträger bekennen müssten. (APA/red, derStandard.at, 19.5.2014)