Die knappen Mehrheitsverhältnisse im FPÖ-Vorstand

Die FPÖ-Zerreißprobe findet ohne Haider statt

montage: derStandard.at
Wo seine Prioritäten liegen, demonstrierte Jörg Haider am Dienstag frühmorgens. Von Graz aus bestieg er das Flugzeug Richtung Toronto, um, wie sein Büro erklärte, "mit voller Kraft für Kärnten in Kanada" unterwegs zu sein. Seine Partei, die am Dienstag um 18 Uhr im Penta Vienna Hotel zu einer entscheidenden Vorstandssitzung zusammenkam, musste ohne ihn auskommen.

Zwei heikle Entscheidungen hatten die - nach Haiders Abflug und der Entschuldigung des niederösterreichischen Klubobmanns Thomas Ram - nunmehr 23 stimmberechtigten blauen Vorstandsmitglieder zu treffen: Erstens ging es um die Bestätigung des Ausschlusses von EU-Abgeordneten Andreas Mölzer. Dafür brauchte Parteichefin Ursula Haubner eine Zweidrittelmehrheit, also zumindest 15 Stimmen. Zweitens sollte der Vorstand eine Vorentscheidung über die Parteiführung treffen. Drei mögliche Kandidaten stehen zur Wahl: Noch-Parteichefin Ursula Haubner, ihr Bruder, der Kärntner Landeshauptmann Haider, und Wiens FP-Chef Heinz-Christian Strache, der das rechte Lager vertritt und daher gelegentlich den "destruktiven" Kräften zugerechnet wird.

Bereits im Vorfeld der Sitzung gingen die Wogen hoch. Hilmar Kabas, Klubchef der FPÖ im Wiener Rathaus und "Bundesländerkoordinator", der eigentlich auf Strache "aufpassen" sollte, nahm diesen in Schutz. Die Aussagen des Kärntner FP-Chefs Martin Strutz, wonach Strache eben zu den "destruktiven Kräften" gehöre, sei "gänzlich deplatziert und nicht konstruktiv". Strache hatte angekündigt, beim Parteivorstand gegen den Ausschluss Mölzers zu stimmen und einen Antrag auf Ruhend- bzw. Rückstellung des Ausschlussantrages zu stellen.

Vizekanzler Hubert Gorbach sprach sich dagegen für einen Ausschluss Mölzers aus: "Es ist ein konsequenter Schritt. Kritik innerhalb der Partei ist notwendig, aber wenn jemand nicht weiß, wann, wo und wie diese Kritik zu äußern ist, muss er die Konsequenzen tragen."

Nicht ernst zu nehmen

Gorbach ist im Vorstand allerdings nicht stimmberechtigt. FP-Gewerkschafter Johann Weinberger dagegen schon. Für ihn ist Haiders Führungsansage ohnehin nicht mehr ernst zu nehmen: "Das wird schon seit drei Jahren so gespielt", sagt Weinberger im Gespräch mit dem STANDARD. Zugleich sympathisiert der freiheitliche Postler mit Haiders Wiener Contrapart, Heinz-Christian Strache. Der sei nämlich "durchaus ok", wenn es auch letztlich auf das Programm ankomme.

Die Klubchefin der FPÖ-Steiermark, Waltraud Dietrich, hofft gar auf eine gemeinsame Parteiführung unter dem Duo Haider/Strache: "Vielleicht gibt's eine Überraschung. Und die Kandidaten, die in den vergangenen Wochen noch als Gegner positioniert wurden, präsentieren sich plötzlich miteinander."

Willi Tilg, Klubobmann der Tiroler Freiheitlichen, wäre mit jedem von Haubner unterstützten Personalvorschlag für die Führung einverstanden. Mölzer, Stadler und Strache stehen in seiner Gunst nicht gerade gut: "Ich werde mit dieser Crew nicht mitarbeiten", deponiert er vorsorglich im STANDARD-Gespräch.

Einer, der fast aus der FPÖ ausgeschlossen wäre, engagiert sich jetzt wieder für Jörg Haider: Michael Schmid, ehemaliger Infrastrukturminister und FPÖ-Landeschef der Steiermark. Schmid ist der FPÖ Kärnten beigetreten - aus "intellektueller Langeweile", wie er sagt. "Jörg Haider hat mich eingeladen, ich solle zu ihm runterkommen. Ich helfe ihm bei der Organisation."

Lektüre der Parten

Schmid selbst ist seinem Ausschluss aus der FPÖ nur knapp entronnen. "Es war Susanne Riess-Passer, die auf mich böse war und mich killen wollte. Aber sie wusste, dass sie jedes Verfahren gegen mich verloren hätte."

Über seine blauen Kollegen in der Steiermark zieht Schmid schwer her: "Wenn man etwas von Landespolitikern lesen will, besteht die einzige Chance, in den Parten nachzuschauen. Die Landespartei liegt im Koma." Auch für die Bundespartei sei es schwer, den Abwärtstrend zu stoppen. Vorläufig sei die FPÖ "zum Mitregieren verurteilt", glaubt Schmid. (kmo, moe, mue, tó, völ/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.3.2005)