Hamburg - Der Schweizer Theologe Hans Küng hat eine negative Bilanz des Pontifikats von Papst Johannes Paul II. gezogen. Der Papst habe mit seiner "reformfeindlichen Amtszeit die Kirche in eine epochale Glaubwürdigkeitskrise gestürzt", schreibt Küng in einem Beitrag für das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Für ihn sei Karol Wojtyla "nicht der größte, wohl aber der widersprüchlichste Papst des 20. Jahrhunderts".

Seine "Außenpolitik" verlange von aller Welt Bekehrung, Reform und Dialog. Im "krassen Widerspruch" dazu stünde jedoch die "Innenpolitik" des Papstes. Diese ziele auf "Reformverhinderung, Verweigerung des innerkirchlichen Dialogs und absolute römische Herrschaft" ab, schreibt Küng. Er anerkenne "ausdrücklich" die positiven Seiten dieses Pontifikats, doch würde dies ja von offizieller Seite bereits "zur Genüge" getan.

"Die neun wesentlichsten Widersprüche"

In seinem Beitrag nennt Küng "die neun wesentlichsten Widersprüche", die seiner Ansicht nach die Amtszeit des Papstes kennzeichnen. Beim Thema Menschenrechte etwa vertrete der Papst diese "nach außen", verweigere sie aber nach innen "Bischöfen, Theologen, den Frauen vor allem". Mit Blick auf die Sexualmoral schrieb Küng, der Papst predige gegen Massenarmut und Elend in der Welt, mache sich aber zugleich "mit seiner Einstellung zur Geburtenregelung und Bevölkerungsexplosion an diesem Elend mitschuldig".

Dem Papstkritiker Küng wurde 1979 vom Vatikan die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen, weil er wiederholt Zweifel am 1870 durch das I. Vatikanischen Konzil verkündeten Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit geäußert hatte. Die Unfehlbarkeit des Papstes bedeutet, dass die Verkündung eines kirchlichen Dogmas (Glaubenswahrheit) durch den Papst auf eine bestimmte feierliche Art und Weise ("ex cathedra") sicher im Einklang mit der kirchlichen Lehre (Magisterium) und Tradition steht. Bisher sind zwei Dogmen ex cathedra durch den Papst verkündet worden: die Unbefleckte Empfängnis Mariens im Jahr 1854 durch Pius IX. und die Aufnahme Mariens in den Himmel 1950 durch Pius XII.

Bis zu seiner Emeritierung 1995 lehrte der gebürtige Schweizer Küng an der deutschen Universität Tübingen ökumenische Theologie. (APA/AFP)