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Foto: REUTERS/Ali Jarekji
Eine feste Burg ist doch nur die "Kronen Zeitung". Während "NEWS" den heimischen Gläubigen für Gründonnerstag und Karfreitag mit ausführlichster Darstellung der fleischlichen Aktivitäten des Finanzministers am Pariser Flughafen aufwartete - Grassers Hand streichelt ihren Po - und sie so von Werken des Glaubens ablenkte, kam die "Krone" den ihrigen pünktlich als Gebetsliga auf Rotationspapier nach. Zunächst gab Dieter Kindermann einen Lagebericht aus Rom durch, der als interessantes Beispiel dafür gelten kann, wie sich aus einer Kombination von Entgeistigung und Spiritualität Stimmung erzeugen lässt.

Die Abendsonne versinkt hinter der Kuppel des Petersdoms. Ein großes Pontifikat geht langsam dem Ende zu, wusste er Mittwoch abgestandene und anstehende himmlische Phänomene geschickt miteinander zu verbinden. Johannes Paul II. war am Palmsonntag kurz an seinem Fenster zu sehen, aber den Lesern der "Krone" kann man das drei Tage später ruhig noch einmal als Neuigkeit urbi et orbi darstellen. Und wenn es in Rom sonst nichts Neues gibt: Mit leidendem, gequältem Gesichtsausdruck - für jene Leser, die vielleicht keinen Fernseher haben.

Es ist bedrückend, schmerzlich: Man spürt, sieht es, dass der Papst reden will, aber es nicht kann. Dem Bedauernswerten geht es wie Redakteuren mit dem Schreiben. Die nach dem Luftröhrenschnitt eingesetzte Kanüle ermöglicht ihm das Atmen, erschwert aber das Sprechen extrem. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Ein Leidensweg. Gäbe es doch nur Kanülen, die sinnvolles Schreiben ermöglichen!

Der Leidensweg setzte sich auf der nächsten Seite fort, wo Günther Nenning um Hilfe!!! rief. Vor Ostern hat ihn das religiöse Zipperlein voll erwischt. Während der Kräuterpfarrer de profundis mit Brunnenkresse - Nasturtium officinale die entschlackende und harntreibende Wirkung dieser Gottesgabe pries, setzte Nenning auf die entschlackende Wirkung des Gebets. Angeblich gibt es nur noch wenige Menschen, die beten. Ich glaub das nicht. Ich glaub eher das Gegenteil: Viele, sehr viele Menschen möchten beten - und trauen sich nicht.

Beten möchten, aber sich nicht trauen, ist zwar nicht das Gegenteil von nicht beten, aber egal, was soll 's. Sie halten Beten für altmodisch, da kommt man sich doch komisch vor, wenn man betet! Sie trauen sich einfach nicht. Obwohl sie gerne möchten ... Für die Möchter hat Nenning einen Kundendienst bereit, wo man nur anrufen muss, und es wird gebetet für die, die noch nicht zum Beten gefunden haben. Nicht im allgemeinen, sondern konkret für die notierten Sorgen der Anruferinnen und Anrufer.

Ob das funktionieren kann? Und was hilft das alles? fragt Nenning, hin- und hergerissen zwischen Skepsis und Glaubenseifer. Meine persönliche Erfahrung ist: Beten hilft immer. Allerdings: Der Erfüllung deiner Wünsche kannst du natürlich nicht gewiss sein. Aber eine Entspannung tritt ein, eine Last wirst du los. Kann man sich als Kolumnist der "Krone" mehr wünschen?

Das Schicksal von Terri Schiavo wirft wiederum für Marga Swoboda schwerwiegende metaphysische Fragen auf. Wo ist eigentlich die Seele der armen Frau geblieben? fordert sie ebenso fürwitzig wie vergeblich Aufklärung. Schon dem Schöpfer zurückgegeben, als sie ins Koma fiel, oder geschieht das erst, wenn sie endgültig verdurstet ist? Die Seele kann man ja nicht scannen wie den Körper. Woran das wieder liegt?

Und warum müssen sich "Krone"-Journalisten immer den Kopf für die ganze Menschheit zerbrechen? Das kann einen ganz schön überfordern. In absehbarer Zeit sei nicht zu erwarten, dass die Koma-Patientin wieder ein Lebensgefühl erreichen könne. Sagte Gott in der Urteilsbegründung. Nein, sagte der Richter. Allmächtig? Allwissend? Schwer zu sagen, aber im Ernstfall sind Richter verlässlicher: Möge Terri Schiavo, endlich, in Frieden ruhen. Na, endlich ein klares Wort.

Doch ebenso wenig wie "NEWS" völlig am "Evangelium des Leidens" in Rom vorbei kann - immerhin vier Seiten, gegenüber neun Seiten Protokoll der Kuss-Affäre, auch in Rom, kann die "Krone" es unterlassen, ihren ehemaligen Liebling Missbilligung spüren zu lassen. Indirekt, aber deutlich. Fast gemein, denn als Muster an Biederkeit muss ausgerechnet ein Grasser-Intimus herhalten, der nicht auf Flughäfen herumknutscht, sondern weiß, was sich gehört.

In Seefeld in Tirol hat die Familie ja auch ein Hotel. So lag 's auf der Hand, dass die Sacher-Juniorchefin Alexandra Gürtler die kleine ländliche Dorfkirche bevorzugte, um ganz geheim ihrem Liebsten, Matthias Winkler (Karl-Heinz Grassers Kabinettchef) das Ja-Wort zu geben. Sogar Dompfarrer Toni Faber ist extra aus Wien angereist, um die Trauung im engsten Freundes- & Familienkreis vorzunehmen. Und dann, merk 's KHG: Die Flucht vor Blitzlichtgewitter ist ihnen somit geglückt. Wir gratulieren.

Wäre Dompfarrer Toni Faber extra auf dem Pariser Flughafen aufgetaucht - Karl-Heinz wäre vielleicht auch die Flucht vor Blitzlichtgewitter geglückt. Aber es ist nie zu spät: Beten hilft immer. (DER STANDARD; Printausgabe, 26./27./28.3.2005)