Foto: Warner

New Order
Waiting For The Siren's Call
(Warner)

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Die britischen Poppioniere "New Order" ("Blue Monday") werden derzeit wiederentdeckt und beflissen kopiert. Sie selbst halten am einmal entwickelten Konzept fest.


1980 nach dem Selbstmord von Sänger Ian Curtis aus der Asche der hochheilig verehrten Existenzialisten-Combo Joy Division hervorgegangen, revolutionierten New Order aus Manchester schon sehr bald die Musikszene. Die düsteren, emotionslos vorgetragenen, aber umso verzweifelteren persönlichen Endzeitstudien von Ian Curtis wurden von den überlebenden Musikern, Peter Hook, Stephen Morris und Bernard Sumner sowie der neu hinzugekommenen Keyboarderin Gillian Gilbert innerhalb von zwei Jahren radikal Richtung hedonistische Electro-Sause, Richtung Kraftwerk, Italo- und Munich Disco umgedeutet. Der pessimistischen Weltsicht von Curtis wurde eine zwangsoptimistisch gemilderte Melancholie mit teilweise beängstigend banalen Texten entgegengesetzt.

Mit Singles wie Temptation, Confusion und natürlich vor allem dem bahnbrechenden Dancefloor-Popklassiker Blue Monday schufen New Order ihr eigenes Genre. In dem veröffentlichten sie herauf bis 1993 und herausragenden Alben wie Power, Corruption & Lies, Low-Life oder Technique jederzeit als New-Order-Musik wiedererkennbare Werke, die derzeit von jungen Bands wiederentdeckt und kopiert werden. Der wehmütig-unterkühlte Gesang und die tonlos wie höhenlastig schrammelnde Gitarre von Bernard Sumner, die wuchtigen Schlagzeugrhythmen von Stephen Morris, die verzerrte und die Hauptlast der Melodien übernehmende Bassgitarre von Peter Hook, der Zweifinger-Synthesizer von Gillian Gilbert: Allesamt tauchen sie gegenwärtig wieder in den Liedern von neuen Bands wie The Killers und Interpol aus den USA, Bloc Party aus Großbritannien oder den deutschen Klee manchmal eins zu eins auf.

Nach ihrem Comeback aus 2001 mit dem hübschen wie etwas ambitionslosen Get Ready haben die lange Jahre wegen persönlicher und finanzieller Zerwürfnisse stillgelegten New Order jetzt wieder ein neues Album fertig gestellt, Waiting For The Siren's Call. Zwar ist Gillian Gilbert auch dieses Mal wieder nicht dabei. Sie pflegt ihr schwer krankes Kind. Mit neuem Mietknecht Phil Cunningham an der Gitarre sowie verschiedenen renommierten Altspatzen im Produzentensessel (John Leckie, Stephen Street sowie Ana Mantronic von den Scissor Sisters als Gastsängerin ist New Order zwar auch dieses Mal nur bewährte Routine gelungen. Neue Stücke wie Who's Joe? oder Turn oder der Titelsong selbst fügen sich aber nahtlos in die alte Erfolgsgeschichte ein.

Möglicherweise wird sich dieses Beharren auf höchstem Niveau ja auch gerade deshalb rechnen. Junge Menschen, die heute ein Vierteljahrhundert New Order entdecken, sollte man nicht unnötig verstören. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.3.2005)