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Thom Maynes skulptural kräftige Architekturen: das Alpe-Adria-Zentrum der Hypobank in Klagenfurt ...

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...und das Verwaltungsgebäude Caltrans District 7 in Los Angeles.

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In Österreich baute er 1999 für die Hypobank Klagenfurt die Konzernzentrale.

Chicago – Wenn Thom Mayne, wie am Montag verkündet, am 31. Mai in Chicago den Pritzker Preis in würdiger Nadelstreifzeremonie entgegennimmt, wird er, weil er das immer tut, scharfkantige Witze reißen. Sie werden den geschliffenen Architekturen entsprechen, die Mayne im Laufe seiner Karriere gebaut und entworfen hat, sie werden also ein bisschen bizarr, doch in sich schlüssig und vor allem ziemlich locker sein.

Der Pritzker Preis der Hyatt-Stiftung weiht seit 27 Jahren die Besten der Besten, er ist mit 100.000 Dollar ausgestattet, vor allem aber mit einem Renommee, dem keine andere Auszeichnung auf dem Gebiet der Architektur nahe kommt. "Vision" und "Hingabe" aktiver Architekten an ihre Mission werden hier bewertet, Zaha Hadid war 2004 dran – und auch Mayne verkörpert beides in höchstem Maße.

Hinter der kalifornischen Lässigkeit, mit der der große, schlanke Graubart, 1941 in Waterbury (Connecticut) geboren, durch das Leben zu schlapfen scheint, steckt die kompromisslose Härte, die letztlich alle großen Baukünstler auszeichnet, und die – in Maynes Fall – nicht zuletzt in legendäre Zerwürfnisse mit Bauherren mündete.

In Jugendjahren pflegte er seinem Verständnis nach verständnislose Bauherren gelegentlich am Kragen gepackt in der Luft zappeln zu lassen. Den missratenen Betongussprodukten ausführender Unternehmen schritt er eigenhändig im Furor mit Presslufthämmern zu Leibe, und als ein Auftraggeber schüchtern anmerkte, er wünsche sich in seinem Haus eigentlich schon so etwas wie einen Schrankraum, schlug Mayne mit der Faust auf den Tisch und donnerte: "Wie viel Gewand haben Sie denn noch notwendig, zum Teufel?"

Damals wütete er als eines der beiden Häupter der 1971 von ihm gegründeten L.A.-Formation "Morphosis" in jugendlicher Kraft: Die Dekonstruktion war noch ohne Namen, sie begann in den Studios von Leuten wie Frank Gehry und "Morphosis" gerade Gestalt und Theorie anzunehmen. Die Box sollte aufgebrochen, neuen Formenspielen Raum gegeben werden.

Es entstanden die scheinbar "verrückten" Einfamilienhäuser und Restaurants in Los Angeles wie die Crawford Residence oder das Kate Mantilini Restaurant, die mit Materialien spielten und neuartige Formen brachten. Wenn es gerade keine Aufträge gab, hielt man sich mit Rasenmähen und anderen Jobs über Wasser. Ko-Morphosis-Architekt Michael Rotondi behauptet bis heute, man sei mehr eine Art Garagenband gewesen.

Quasi nebenbei gründete Mayne 1972 das Southern California Institute of Architecture, das als eine der quirligsten Architekturschulen gilt. Er selbst unterrichtet an der U.C.L.A., wenn schon nicht milde, so ist er nicht mehr so wütend, und auch die Auftragsbücher sind prall gefüllt.

Für New York plant Mayne derzeit das "Riverfront Project" in Queens, das, bei Zuschlag, die Olympischen Spiele 2012 beheimaten wird, in Oregon entsteht ein Gerichtsgebäude, in San Francisco ein Büroturm für die Stadtverwaltung: Offizielle Aufträge des konservativen Amerika für einen deklarierten Linken, der neben seinem Formentalent in zunehmendem Maße auch Ökologie und Hightech-Bauphysik in seine Entwürfe einzuarbeiten versteht – und der gelernt hat, dass Bauherren nicht immer die unwichtigste Rolle zu spielen haben.

Thom Maynes Weg vom rabiaten, vitalen Wanderprediger für die Sache der Architektur bis hin zum Pritzker-Würdenträger führte nicht selten durch kommerzielle Schluchten. Ausgerechnet ein durch einen Wettbewerbssieg akquirierter Auftrag aus Österreich half mit, eine seiner finstersten Krisen zu überstehen. 1999 baute er für die Hypobank Klagenfurt die Konzernzentrale, ein skulptural kräftiges, funktional nicht ganz unumstrittenes Stück Architektur. Doch Leute wie Mayne sind da zu Hause, wo die Luft sehr dünn wird. Kürzlich brachte er es auf den Punkt: "Wenn wir nicht dazu bereit sind, Risiken einzugehen, ist unsere Kultur bald erledigt." (DER STANDARD, Printausgabe, 22.03.2005)