Liebe bedeutet geben und nehmen. Tom Chaplin, Sänger von Keane, in einem Moment des Gebens.

Foto: Robert Newald
Wien - Keane, das reimt sich auf Wien. In einer dieser Affinität entsprechenden Umarmung befand sich am Samstagabend die gleichnamige britische Band mit ihrem Publikum im ausverkauften Gasometer. Ein Liebespaar also. Folglich wurde gestreichelt, Kusshändchen flogen durch den Saal, man tauschte Komplimente, flirtete ein wenig, errötete - und fand sich im Applaus der finalen Euphorie überglücklich. Da wie dort.

Das junge Trio zählt mit Starsailor, Travis oder Turin Brakes zu jenen Inselbands, die seit einigen Jahren eine neue Sensibilität propagieren. Von wegen: nachdenkliche Halbe-halbe-Männer mit Hang zu selbstreflexiver Lyrik statt rüpelhafte Machos. Was eine peinliche Steißlandung sein hätte können, wurde von Keane jedoch vergoldet.

Hopes And Fears heißt das adäquat verunsicherte erste Album der seit acht Jahren bestehenden Formation und verkaufte sich seit seinem Erscheinen im Vorjahr fast drei Millionen Mal an ein zwischen den allzu menschlichen Gefühlspolen Angst und Hoffnung schwankendes Publikum.

Bestechend einfach ist die musikalische Formel von Keane: Treibende Bassläufe, Schlagzeug sowie ein sportlich betastetes Piano bilden die Basis für Tom Chaplins Gesang. Live glich dieser mit seinem weißen Gürtel um die dann wieder weniger sportlich anmutende Leibesmitte wie ein Schlagersänger auf einem norddeutschen Neigungsgruppensender.

Doch genau diese oberflächlich betrachtet so gar nicht präsenten Popstarqualitäten machen den Charme des Trios aus. Ein Wesenszug, den sie offenen Herzens in Songs wie Somewhere Only We Know entleeren. Jenen massiven Hit von Keane, dem man in den letzten Monaten kaum entgehen konnte.

Eine aus voller Kehle mitsingende Fangemeinde sah es folglich auch nicht als Manko an, dass das Bandrepertoire im Wesentlichen aus - zart variiert - ein und demselben Song besteht. Auch das flehend hohe Timbre Chaplins, das in den Balladen beängstigend an die männliche Achtzigerjahre-Discoschnitte Limahl von Kajagoogoo erinnerte und locker eventuell anwesende Milch hätte brechen lassen können, wurde bei Keane positiv umgedeutet. Dass der Bass und die stellenweise eingesetzten Streicher vom Band kamen - Kleinigkeiten.

So wurde man also Zeuge gegenseitiger Liebesbezeugungen, für die die emotionsgeladen dargebotene Musik als amouröses Bindemittel fungierte. Wie in einer jungen Liebe üblich, gaben beide Seiten reichlich und nahmen demütig. Es war rührend wie in: berührend. (Der Standard, Printausgabe, 21. 3. 2005)