Realpolitisch ist ein solcher Schritt kontraproduktiv und es ist kein Wunder, dass angesehene Beobachter vor den Auswirkungen einer von der Mehrheit der Kroaten als unfair betrachteten Behandlung warnen. Der österreichische Regierungschef und auch wichtige Politiker und Diplomaten anderer mittel- und südosteuropäischen Staaten haben sich neuerlich für die Eröffnung offizieller Beitrittsgespräche ausgesprochen. Auch die in der kroatischen Wirtschaft engagierten österreichischen und anderen Investoren erheben ihre Stimme gegen eine folgenschwere Isolierung Kroatiens.
Der Verfasser dieser Zeilen gehört zu jenen, die stets gegen die Verteufelung Kroatiens und für seine Unabhängigkeit aufgetreten sind. Weder die Erinnerung an die Gräueltaten des Ustascha-Regimes, noch die nationalistischen Exzesse der korrupten Tudjman-Ära in den 90er- Jahren dürfen als scheinheilige Argumente für die politische und wirtschaftliche Diskreditierung Kroatiens dienen. Trotz allem darf die andere Seite der Medaille nicht ignoriert werden:
Weder die frühere linke Racan-Regierung, noch die gegenwärtige bürgerlich- konservative Sanader-Regierung konnte die Mehrheit der EU-Staaten und vor allem die mächtige und unbestechliche Chefanklägerin des Kriegsverbrechertribunals, Carla del Ponte, überzeugen, dass sie wirklich alles taten, um Gotovina auf die Spur zu kommen. Dass dabei auch die französischen Behörden den französischen Pass des einstigen Fremdenlegionärs knapp vor seinem Verschwinden erneuert haben und gegen seine angeblichen Helfer im kriminellen Milieu nicht durchgreifen konnten oder wollten, soll ebenfalls nicht vergessen werden.
Die Tatsache, dass das Bankguthaben Gotovinas angeblich erst jetzt gesperrt wurde und dass er nach allen verfügbaren Informationen von mächtigen Gruppen der Geheimpolizei und der nationalistischen Auslandsemigration finanzielle und organisatorische Hilfe erhält, ist nicht nur der Anklagebehörde in Den Haag bekannt.