Foto: Operation Spring
Wien/Graz - Am 27. Mai 1999 wurden im Rahmen einer österreichweiten Drogenrazzia an die 100 Afrikaner verhaftet und in Folge fast ausnahmslos verurteilt. Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber zeichnen in ihrer Doku über die so genannte "Operation Spring" erstmals ein umfassendes Bild dieser Ereignisse, deren massive Ungereimtheiten wohl nicht nur Flüchtlingshelferin Ute Bock - eine der Protagonistinnen - zum Satz bewegen dürften: "Ich hätte nie geglaubt, dass bei uns so etwas möglich ist." Die Uraufführung findet am 16. März im Rahmen des Filmfestivals Diagonale in Graz statt.

"Die Operation Spring war die größte kriminalpolizeiliche Aktion in der Zweiten Republik und zugleich der erste Einsatz des Großen Lauschangriffs", schickt Schuster im Gespräch mit der APA voraus, "Und es war das erste Mal, dass anonyme Zeugen komplett verhüllt vor Gericht ausgesagt haben." Im Frühjahr 2002 begannen Schuster und Sindelgruber ihre Recherchearbeit, nahmen Einsicht in Akten, schauten bei Prozessen zu, führten Gespräche in alle Richtungen und untersuchten die umstrittenen Hauptbeweismittel gegen die Angeklagten.

Zusammenarbeit mit der Polizei

So zeigt die Doku erstmals öffentlich das beim Lauschangriff aufgenommene Video, von dem sogar ein Richter einräumt: "Einen Schwarzafrikaner in der Nacht zu erkennen ist schwierig", und erstmals spricht ein ehemaliger Kronzeuge über die zweifelhafte Zusammenarbeit mit der Polizei. "Wir wissen nicht, wer schuldig ist und wer nicht. Es war auch nie unsere Intention das nachzuprüfen, sondern zu schauen, ob die Angeklagten ein faires Verfahren haben oder nicht", betont Schuster.

Im Zug der Besuche in Gefängnissen wurde dem Duo erst bewusst, wie viele Schwarze überhaupt inhaftiert sind. "Das steht in keiner Relation zur Gesamtbevölkerung", so Sindelgruber. Interessiert hat die beiden auch die Entstehung eines Feindbilds "quasi über Nacht", so Schuster: "Vor der Operation Spring ist Marcus Omofuma gestorben, da gab es große Demonstrationen und Diskussionen, Solidarität mit der schwarzen Bevölkerung. Es gab Berichte über mutmaßliche Übergriffe der Polizei auf Schwarze - das ist komplett aus den Medien verschwunden."

"Erfolgsgeschichte" Lauschangriff

Auch dass die Operation Spring als die Erfolgsgeschichte vom Großen Lauschangriff präsentiert und das betreffende Gesetz darauf hin unbefristet verlängert wurde, soll der Film zur Diskussion stellen. Sindelgruber: "Wenn ein Beamter der Legislativabteilung im Justizministerium von 'technischen Kinderkrankheiten' beim ersten Einsatz spricht, dann frage ich mich, was kommt auf uns zu, wenn es darum geht Schutzzonen einzurichten, oder eine flächendeckende Videoüberwachung?"

Kein Interview mit Sondereinheit

Die Polizei-Sondereinheit, die den Lauschangriff durchgeführt hat, wollte keine Interviews geben; auch im Wiener Straflandesgericht erklärte sich ein Richter erst, als er in Pension ging, dazu bereit. Viele Leute von der Justiz, die zwar nicht im Film vorkommen wollten, hätten aber gesagt, sie seien froh dass er gedreht werde und das Thema zur Diskussion stelle, erzählt Schuster.

Allein das eigene Material - ohne Archivbeiträge - das zwischen Jänner und November des Vorjahres gedreht wurde, belief sich auf 60 Stunden. Besonders stolz sind Schuster und Sindelgruber, dass ihr Film als erste österreichische Doku überhaupt vom Sundance Institute Documentary Fund unterstützt wurde. Da auch der ORF im Rahmen des Film/Fernsehabkommens an der Finanzierung beteiligt ist, dürfte eine TV-Ausstrahlung sicher sein, der reguläre Kinostart ist für Herbst geplant.

"Spiegelgrund" in "Sehstationen"

Auf der Diagonale, wo "Operation Spring" erstmals am 16. März (20.30 Uhr) und am 18. März (18.00 Uhr) jeweils im Schubert Kino gezeigt wird, ist außerdem im Rahmen der "Sehstationen" die Doku "Spiegelgrund" (2000) von Schuster und Sindelgruber zu sehen. Im Vorjahr zeigte das Duo in Graz die siebenteilige Videoreihe "Vergessene Opfer" - ein Titel, der über ihrem Gesamtwerk stehen könnte. Für "Operation Spring" wünschen sie sich nicht nur, dass eine Diskussion in Gang kommt. "Unserer Meinung nach ist es unumgänglich, dass alle Operation Spring-Verfahren noch einmal genau überprüft werden." (APA)