Foto: Sonnek
Zwei Wiener Großprojekte müssen mit jeder Menge Grundwasser zurecht kommen: Für den U2 Bau im 2. Bezirk wurde eine vollkommen neue Pumptechnik entwickelt. Und bei der Errichtung eines S1-Tunnels bei Schwechat muss unter Wasser gearbeitet werden.

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Wien - Die Methode sorgte für Aufsehen: Um unter dem Donaukanal die neue U2-Station Schottenring errichten zu können, musste das Erdreich auf 70 Metern Länge mit minus 196 Grad Celsius kalten Stickstoff schockgefrostet werden. Für die nächsten zehn Monate wird die Erde auf der nun erreichten eisigen Bodentemperatur von rund zehn Grad minus gehalten.

Dabei ist dies die vergleichsweise normale Vorgangsweise bei Arbeiten unter Gewässern. Eine absolute Novität im Umgang mit Grundwasser kommt allerdings im nächsten Bauabschnitt zum Einsatz: bei der Querung der Leopoldstadt zwischen Donaukanal und Praterstern.

1000 Liter pro Sekunde Gelernte Leopoldstädter wissen, dass ihr Bezirk untergründig ein ziemlich feuchter ist. Rund dreieinhalb Meter unter der Erdoberfläche steht meist der Grundwasserspiegel. Und den galt es nun auf der ganzen Strecke um gute 18 Meter abzusenken - mit insgesamt 270 Pumpen, die pro Sekunde 800 bis 1000 Liter Wasser absaugen.

"Normalerweise müssten alle 270 Pumpen regelmäßig von Brunnenwarten kontrolliert werden - Feldversuche hatten gezeigt, dass bei Ausfall nur einer Pumpe der Wasserspiegel binnen 15 Minuten wieder um eineinhalb Meter ansteigt", erläutert Werner Wieseneder, Geschäftsführer der Firma Sonnek Engineering im STANDARD-Gespräch.

Deshalb hat sein Unternehmen für die Arge U-Bahn ein vollkommen neues System ausgearbeitet: Die gesamte Pumpentechnik wurde mit Sensorik, Durchfluss- und Temperaturmessern ausgestattet. "Die ermittelten Daten werden von jedem Brunnenfeld mit je 30 Pumpen per Busleitung zu einer kleinen Zentrale weitergeleitet - und von dort geht es weiter per Glasfaserleitungen zum Baubüro in der Taborstraße", erläutert Wieseneder.

Pumpen anklicken So kann nun jederzeit jedes Brunnenfeld - und sogar jeder einzelne Brunnen im Computer angeklickt und seine Werte kontrolliert werden. Umgekehrt kann auch jede Pumpe und somit der Grundwasserspiegel von der Zentrale aus gesteuert werden.

Geht einmal etwas schief, werden die Arbeiter in der Baugrube automatisch gewarnt. Und für die Abrechnung werden die Daten automatisch einmal pro Monat in Tabellen erstellt. "Das war normalerweise eine ziemliche Viecherei, zu sitzen und die Werte einzutragen", erinnert sich Wieseneder. "Drum werden die auch Kuhhauttabellen genannt."

Für dieses revolutionäre System gibt es nun schon regelmäßig Anfragen aus dem Ausland - und die Firma Sonnek hat schon die Ausschreibung eines nächsten Projektes im Auge: den Lainzer Tunnel.

Betonieren im Wasser Ein mindestens ebenso komplexes, aber für die Beteiligten weit unangenehmeres Verfahren kommt auch beim Bau der Südumfahrung S1 bei Schwechat zur Anwendung. "Beim Bau des Tunnels Rannersdorf ist eigentlich das Schwierigste die Errichtung der Baugrube", erläutert Projektleiter Gerald Stöckl.

Denn hier werden bei jedem 170 Meter langen Abschnitt erst die seitlichen Spundwände eingerammt. Dann wird im Grundwasser ausgebaggert - wobei sich der Baggerfahrer in der trüben Suppe nur per GPS orientieren kann. Dann müssen Taucher in den Gatsch - und tastend am Rand letzte Erdmugel beseitigen.

Und dann wird - ebenfalls im trüben Grundwasser - betoniert. "Der Beton wird per Schlauch eingepumpt, der Betonfluss darf aber während des ganzen Vorganges nie abreißen", so Stöckl. "Die Masse schiebt sich so von selbst voran - aber schiebt auch jede Menge Schlamm vor sich her. Daher müssen die Taucher jetzt noch einmal runter und während des Betonierens den Schlamm absaugen."

Dann wird das Grundwasser abgepumpt - und "ganz normal" weitergearbeitet. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD - Printausgabe, 10. März 2005)