Bild: Produktkatalog http://www.sniff.tv/
+++ Pro Von Klaus-Peter Schmidt

Als Bub hatte ich gar kein weißes Taschentuch. Die säuberlich gefalteten und gebügelten Stoffgevierte, die mir Mutti trotz heftiger Gegenwehr immer wieder in irgendwelche Taschen steckte, waren erstens kariert und zweitens durch Fahrradreparaturen bald ölverschmiert - die mütterliche Reaktion darauf zu beschreiben unterlasse ich hier.

So gesehen hat die Einführung des Papiertaschentuchs sicher die Zahl der so traumatisierten Benutzer gesenkt, aber heute noch gilt bei vielen die kuriose Vorstellung, nur weiße Taschentücher seien hygienisch. Wie kommen dann aber die orangefarbenen Leintücher ins Bett und Geschirrtücher mit Radieschenmuster auf den Haken? Eben! Und wenn mich vom Damenslip herunter Snoopy angrinsen darf, darf er das von einem unschuldigen Schnäuzpapierl herunter auch.

Bedauerlich ist nur die eingeschränkte Motivwahl: Diddlmaus und Porsche-Logo mögen Umstehenden schon ein bisserl Aufschluss über die Haltung des Schnäuzers geben, aber wo bleibt die Politik? Lothar Vosseler hat zwar bereits einen Anfang gemacht und seine Hetzschrift gegen seinen Bruder, den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder, als Taschentuch-Buch drucken lassen. Mir fehlen aber lustige Konterfeis von Politikern als Aufdruck.

Einen Bundeskanzler (oder auch einen Finanzminister) zigfach nasenschleimbenetzt in einen Mistkorb zu werfen kann doch nicht nur den Verschnupften in Deutschland Erleichterung verschaffen.

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Contra- - -
Von Mia Eidlhuber

Das Kind rotzt und plärrt, das geht schon den ganzen Winter so, und nein, es ist kein schöner Anblick, von der Akustik gar nicht zu reden. Dabei hat sie gar keinen Schnupfen, den ganzen Winter noch nicht wirklich gehabt, Orangen und anderen Vitaminbomben sei Dank. Sie rotzt trotzdem dauernd, will sich ständig schnäuzen, und wir verdanken das diesen Taschentüchern der Marken "Sniff", "määäh" und "bääähh" aus dem Hause Paper Design. Angeblich kindgerechte Teile sind das, mit lustigen Schafen oder Fröschen drauf. Das Kind mag diese Viecher. Sie liebt sie sogar, und darum also rotzelt sie in regelmäßigen Abständen, weil ich dann wie ein Pawlow'scher Hund in die Manteltasche greife und einen Frosch zutage fördere.

Andere Taschentücher führen wir nicht mehr, obwohl die Paper-Design-Schnäuzfetzen einen Euro kosten. Pro Packung. Als ich versuchte, ihr ein blütenweißes Tempo anzudrehen, heulte sie los. Das Kind ist eine gute Schauspielerin. Gebe ich ihr aber einen Frosch, dann lächelt sie und sagt: "Danke, ich muss gar nicht." Den Frosch steckt sie in ihre Tasche. Wie viele sie davon schon hat, weiß kein Mensch, in ihren Rucksäcken stapelt sich das Altpapier jedenfalls wie sonst nur in der Retourenabteilung des News-Verlages. Ich kann mir nur zugute halten, dass ich mit dieser Unsitte nicht angefangen habe. Eine andere Mutter war das, die den Spielplatz mit dem Frosch-Virus infizierte. Kürzlich habe ich mich bei ihr bedankt. Ich schenkte ihr eine Klopapierrolle mit lustigen Sprüchen darauf. Ihr Sohn war begeistert. (Der Standard/rondo/11/03/2005)