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Foto: Reuters/Reed

Erst leuchtet der fein gesponnene Himmelszucker rosa. Dann kriecht eine strahlend helle Linie über die Nebelbank, breitet sich aus wie eine Infusion aus Licht. Und buchstäblich mit einem Schlag wächst aus der Mitte der Linie eine Sonnenerbse, wird schnell größer, dass der Lichtstrich aussieht wie eine Schlange mit Buckel. Die Sonne ist über dem Indischen Ozean und Plettenberg Bay aufgegangen.

Plettenberg Bay

... ist eine Freizeitstadt an Südafrikas Ostküste, auf der N 2 zwischen Cape Town im Süden und Port Elizabeth im Norden. Auf der Fahrt vom nächstgelegenen Flughafen George (rund 100 Kilometer, rund zwei Stunden, Linksverkehr, also rechts überholen) passiert man den Eingang zum "Garden of Eden", in den Tag für Tag Wanderer strömen. Hie und da ein Tierpark ("The Wilderness", "Elephant Walk"), regelmäßig ein Shop mit Schnitzwerk, Stoffen, Speeren und Spezereien.

Auf der Hauptstraße des idyllischen Städtchens hängen Transparente, die zum Wassersparen mahnen. Die allgegenwärtigen Golfplätze benetzen ihre Rasenmonokulturen wahrscheinlich mit schlechtem Gewissen. Plettenberg Bucht mit dem endlosen Sandstrand, für den sie an der Adria morden würden, wurde von Bartholomeus Diaz und seinen portugiesischen Kumpels 1487 irrtümlich "entdeckt" und kartografiert, ab 1763 siedelten sich die ersten weißen Jäger und Sammler, vom Kap kommend, in der Gegend an.

Seither hat sich eine Menge in Afrika und Südafrika getan. Die Seaside von Plettenberg ist eine mit Villen von wohlhabend über steinreich bis zu bist-du-deppert - mit Alarmanlagen geschützt - übersäte Hügellandschaft, quasi Grinzing mal hundert am Indischen Ozean.

"Mandela Microwaves"

Auf der anderen Seite der Schnellstraße entlang der Küste (N 2) liegen die Bretterbuden der Schwarzen, die meisten weisen nicht einmal den Mindeststandard der so genannten "Mandela Microwaves" auf. Das sind Hütten, die der Expräsident und Freiheitskämpfer Nelson Mandela seinen Landsleuten versprochen hatte: ein kleines, festes Häuschen mit Strom und Wasser.

Die Einkaufskultur kulminiert in einem Spar-Supermarkt, das einzige größere Hotel direkt am Strand ("Beacon Isle Southern Sun Resort") ist eine öde Hütte für Pauschalurlauber, das fünfsternige "The Plettenberg" bietet Cocktails, die Dean Martin beeindruckt hätten, und sein (winziger) Swimming-Pool hängt hundert Meter hoch auf einer Klippe direkt überm Meer, gebaut für nüchterne Bergsteiger und Möwen. Viel netter und preiswerter sind die zahllosen Bed & Breakfasts, Campingplätze und Gästehäuser.

Der weiße Mann hat ja erst den Kontinent praktisch von wilden Tieren leergefegt, bevor er ihn den Schwarzen zurückgab und ein gemütlicheres Leben begann. In Plettenberg lässt es sich wunderbar dösen oder Tiere anschauen. Whale Watching, Dolphin Cruises. Oder was Härteres, Rhino Base Camp (25 + Tierarten, mehr als 400 Einzeltiere), alles nur einen Anruf und eine Fahrt im Jeep entfernt. Für Gestresste oder Manager vielleicht Monkeyland (Affen plus Vögel). Für Verliebte bietet sich Portland Manor an, wo man heiraten oder im Fliegen fischen kann, oder mit Fliegen, wäre auszuprobieren.

Oudtshoorn

Aber das Schönste vom Absurden ist Oudtshoorn. Dort haben sie aus dem Vogel Strauß eine Industrie gemacht. Vom Plettenberg Bay keine drei Stunden weit weg, über Berge und Täler, die sich so viel versprechend weit in die Ferne erstrecken, dass du ganz Österreich darin verstecken könntest, machen sie aus dem Strauß alles, was man zum Leben braucht. Hauptsächlich Geld. Dann noch Steaks, Federschmuck für Bartänzerinnen, seine Haut wird zu Leder verarbeitet. Nur das Leder aus dem Känguru, dem zweiten zweibeinigen Schmuckstück des Tierreichs, ist noch widerstandsfähiger als Straußenleder. Strauße sind zwar keine Genies - immerhin können sie auf zwei Beinen gehen, im Unterschied zu so cleveren Kerlen wie Löwen -, ihr Gehirn ist ungefähr so groß wie ein Auge, aber sie haben relativ große Augen.

Sie sind grundsätzlich gutmütig, sie lassen sich sogar reiten, aber sind hartnäckig jeder Dressur unzugänglich und kaum besteigbar. Deshalb stülpt ihnen der Reiter vor dem Ritt ein Sackerl über die intelligenten Augen. Denn ein blinder Strauß bleibt stocksteif stehen - das Gehirn hat keine Ahnung, wo es den Rest hinrennen lassen soll. Sie beschleunigen wie ein gebrauchter Ferrari und sind ähnlich schwer zu steuern. Kommerzielle Straußenrennen wurden vor langer Zeit verboten, es war nicht zu klären, ob aus Rücksicht auf die Menschen oder die Strauße.

Strauße sind, einmal in Rage, lebensgefährlich. Davonrennen ist aussichtslos, niederlegen, tot stellen und sich fürchten wird empfohlen. Die Hauptwaffe des Tieres ist der Zehennagel, der mit einem Schlag mehrere Kilo Fleisch aus dem Gegner fetzt. Ein Strauß soll einmal einen Löwen solcherart erledigt haben. Welcher Strauß das war, hat der Straußenfarmer vergessen. Vielleicht war das, noch bevor dem Strauß, dem klugen Tier, ein Licht aufging und er den Kopf in den Sand steckte. (Der Standard/rondo/11/03/2005)