Innsbruck verschenkt 10.000 Bücher und entscheidet sich mutig für anspruchsvolle, zeitgenössische Literatur
Redaktion
,
Innsbruck – 10.000 Exemplare
von dem im Herbst erschienenen Roman
Wundränder
(Haymon) des Südtiroler Autors
Sepp Mall werden ab
Donnerstag in Innsbruck verteilt, verschenkt. "Innsbruck
liest", heißt die Aktion, die
nach erfolgreicher Premiere
im letzten Jahr fortgesetzt
wird. 2004 hat Innsbruck eifrigst hingelangt: Die ebenfalls
10.000 Stück von Thomas Glavinics Krimi
Der Kameramörder
(Volk und Welt) waren am
ersten Tag der Aktion vergriffen. Zweimal zugreifen ist tabu. "Wir wollen Neuerscheinungen zeitgenössischer Literatur bekannt machen, die
unserer Meinung nach zu wenig diskutiert werden", sagt
der Germanist Johann Holzner, Leiter des Innsbrucker
Brenner-Archivs und Ideator
der Buchverteilung.
Während anderswo Bestseller verschenkt werden, entscheidet in Innsbruck eine Jury, der dieses Jahr neben Holzner die Literaturkritikerin Daniela Strigl, der Schriftsteller
Martin Pichler und die Buchhändlerin Anna Wieland angehörten. Holzner betont, dass
die Aktion "ohne die Mitwirkung von Bürgermeisterin Hilde Zach wohl nicht zustande
gekommen wäre".
Zach habe nicht nur die
Sponsoren (Innsbrucker Kommunal- und Verkehrsbetriebe,
Raiffeisen Landesbank, Land
und Stadt) aufgetrieben, sondern sei leidenschaftliche
Teilnehmerin der Jurysitzungen mit Beobachterstatus.
Attentate in Südtirol
Die mit eigenem Cover neu
aufgelegten Wundränder von
Sepp Mall thematisieren die
Bombenattentate im Südtirol
der 60er-Jahre aus der Perspektive zweier Kinder. Eine
Bleierne Zeit, die bis heute
auch in Österreichs Diplomatie nachwirkt, etwa in den
jüngsten Bemühungen von
Außenministerin Ursula
Plassnik bei ihrem Staatsbesuch in Rom dieser Woche um
Begnadigung von auch österreichischen Attentätern, von
denen einige zu lebenslanger
Haft verurteilt wurden.
Mall fängt den teils auch
deutsch-national gewendeten
lokalen Widerstand gegen den
römischen Zentralismus in
zwei parallel laufenden Geschichten ein, die viel von
Sprachlosigkeit unter den Generationen erzählen, von einem "Stammelheim": "Die
Lähmung der Zungen, die Silben, die strauchelten, die hängen blieben, irgendwo". Die
Helden sind Fußballstars wie
Sandro Mazzola.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.3.2005)
Forum:
Ihre Meinung zählt.
Die Kommentare im Forum geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen,
den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen
(siehe ausführliche Forenregeln),
zu entfernen. Benutzer:innen können diesfalls keine Ansprüche stellen.
Weiters behält sich die STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H. vor, Schadenersatzansprüche
geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.