Gemeine "KanakAttack" auf die rechte Ordnung: Der Deutsch-Türke Feridun Zaimoglu hat die Fassade der Kunsthalle Wien mit türkischen Flaggen verhängt.

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Und damit erstmals auch die Kunsthalle Wien gut sichtbar gestaltet. Entstanden ist eine Installation zur Identitätsfindung auf vielen Ebenen.

Wien – Nun ist die Kunsthalle Wien im Museumsquartier also mit türkischen Fahnen verhängt. Wozu gleich vorweg anzumerken ist: Das sieht echt hübsch aus. Die weißen Halbmonde und Sterne auf dem scharlachroten Grund bringen ordentlich Leben in die barock getarnte Nekropole für Hoch- und Gegenkultur.

In unterschiedlichen Größen überspannen die Banner ein der heilig gesprochenen ehemaligen imperialen Winterreithalle vorgestelltes Baugerüst. Und so lässt sich vorübergehend sentimental der Tatsache gedenken, was denn aus dem Museumsquartier wohl für ein Quartier geworden wäre, hätte man auch der Kunsthalle eine Architektur gewidmet, anstatt die Gegenwart hinter Blendwerk aus dem 19. Jahrhundert zu verstecken.

Nun gut. Feridun Zaimoglu gilt ja nicht gerade als streitbarer Architekturtheoretiker. Der Mann ist als Schriftsteller und Drehbuchautor bekannt, Hebbel- wie Bachmann-Publikumspreisgekrönt. Im November 2000 kam der Film Kanak Attack, die Verfilmung seines Romans Abschaum in die Kinos. Und, was für viele immer noch ganz wichtig ist: Der Mann stammt offensichtlich aus der Türkei. Und also kann die Verhängung doch wohl nur als letzter Akt einer heimtückischen Eroberung gewertet werden. Als dritte Türkenbelagerung. Selbstredend, dass die Erniedrigten und Beleidigten da voller Ingrimm schimpfen, lässt sich doch jetzt schon ganz klar ablesen, was der drohende Beitritt der Türkei zur Europäischen Union bringen wird: Die totale kulturelle Okkupation, den völligen Verlust der Mitte, die Aufweichung sämtlicher alter Werte, den totalen Geschichts- und Gesichtsverlust und türkische Zelte, den ganzen Ring entlang.

Xenophobe Reflexe

Dass der 1964 in Bolu (Anatolien) geborene Feridun Zaimoglu seit gut 30 Jahren in Deutschland lebt, zählt da ebenso wenig, wie andere Lesarten seiner Installation im öffentliche Raum die xenophoben Reflexe bremsen würde. Schweizer Flaggen wären höchst willkommen, würden Geld versprechen und Gold und Käse. Oder holländische. Die würden bloß ein paar Frontmänner der Bergrettung beunruhigen. Soll Wien doch zürichsauber werden, am – Gott hilf! – nicht Istanbul.

"Meine Sache ist die Nische nicht", stellt Feridon Zaimoglu dazu fest, "meine Sache ist die offensive Gegenattacke. Gegen alle. Schließlich haben die in Österreich oder Deutschland aufgewachsenen Türkischstämmigen kein anderes Zuhause, und können sich ihre Herkunft "nicht aus der Fresse wischen".

Müssen sie sich deshalb vom Babyalter an im Imitieren deutscher Sitten üben; es sei den in ihrer Freizeit als Folkloretrupp, der tanzend und singend antritt, von günstigen Urlaubsparadiesen zu künden. Besteht auch nur ein Grund sie mit allem oder jedem in Verbindung zu bringen , das oder der im Land ihrer Vorfahren Sinn oder Unsinn stiftet.

Wieso wohl soll Kanak Sprak eher als Angriff wider das reine Deutsch denn als Ausdruck der Lebendigkeit von Sprache gewertet werden. Und wieso wohl sollte in Tagen "der Post-Postmoderne" sich nicht auch ein Deutsch- Türke seine Identität ebenso zurechtleben können, wie andere auch? Und wieso schließlich müssen inständig korrekt blutleere Multikulti-Crossdresser mit aufdringlichen Umarmungen für fatal romantisierende Vereinnahmungs 4. Spalte versuche sorgen? In Kooperation mit Literatur im März und Alter Schmiede Wien will die Kunsthalle mit Zaimoglus Installation im öffentlichen Raum einen "Beitrag zur Klärung politischer und gesellschaftlicher Fragen leisten".

Angesichts der bisweilen hysterischen Aufmerksamkeit, die ein paar türkische Fahnen zu erregen imstande sind, zurecht. Möge die Übung gelingen. Auch wenn es vielleicht hübscher gewesen wäre, die Fischer von Erlach-Fassade zu verhängen, und wohl auch produktiver im Sinne der Identitätsfindung des signallosen Museumsquartiers. (DER STANDARD, Printausgabe, 08.03.2005)