Alain Delon in Luchino Viscontis Meisterwerk "Il Gattopardo/Der Leopard" (1963).

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Eine Ode an Sizilien, dieses fremde unheimliche Land, das so elementar ist, dass es sich dem Zugriff der Geschichte entzieht. Und an seinen wahren Herrscher, "die gewalttätige, unmenschliche Sonne, die den Einzelwillen vernichtet und alles in einer knechtischen Unbeweglichkeit hält, hin und her gerissen in gewalttätigen Träumen ..."

Eine Elegie auch aufs Kino und seine Möglichkeiten, entstanden zu einer Zeit, Anfang der Sechziger, als es an seine eigene Zukunft nicht mehr glauben mochte. Ein Film, der in seinen grandiosen Cinemascope-Bildern das Intime und das Spektakuläre zusammenbringt, das Menschliche und das Übermenschliche, das Vergängliche und das Ewige, das Lächerliche und das Erhabene. Ein Film, der uns mitnimmt, der uns alles abverlangt - am Ende, nach der berühmten vierzigminütigen Ballszene im Palazzo Ponteleone, folgt man dem alten Fürsten Fabrizio Salina, verkörpert vom Hollywoodstar Burt Lancaster, wenn er in die morgendliche Kühle tritt und durch das dämmernde, in seinen letzten Träumen liegende Palermo den Heimweg antritt. Er weiß, sein Geschlecht ist am Ende, die Herrschaft der Löwen. Die neue Zeit ist angebrochen, die bürgerliche Gesellschaft hat sich etabliert.

Luchino Visconti machte die schönsten Filme vom Untergang, der Mailänder Graf, der sich offen zum Sozialismus bekannte, und nie hat er dieses große Thema mit solcher Leidenschaft behandelt wie in Der Leopard/Il Gattopardo. Sizilien zur Zeit des Freiheitskampfes, des Risorgimento, 1860, Garibaldi landet in Marsala, Italien erhebt sich gegen die französischen Bourbonen.

Tancredi, der Neffe des Fürsten kämpft mit in seiner Rebellenarmee: Die Dinge müssen sich ändern, sagt er, wenn wir wollen, dass sie bleiben, wie sie sind. Ohne Larmoyanz hat Giuseppe Tomasi di Lampedusa, der Autor der Romanvorlage, die gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen beschrieben, nüchtern und genau hat Visconti den Wandel in Szene gesetzt.

Eine unerhörte Arbeit, hat Suso Cecchi d'Amico bekundet, Viscontis treue Drehbuchmitarbeiterin: "Die Resultate rechtfertigen die Mühe. Der letzte Komparse wird behandelt wie eine Primadonna, die sich entblättern muss. Jedes einzelne Objekt, mit hundert anderen in einer Vitrine oder auf einem Tisch platziert, war Anlass für Recherchen, Prüfungen, Diskussionen. Wenn der Film wirklich wirkt, dann weil wir die Wirklichkeit konstruierten ..." Ein Film, von dem ich lebe, hat später Martin Scorsese erklärt. Ein Film, ohne den es eine Zukunft des Kinos nicht gegeben hätte. (DER STANDARD, Printausgabe, 05./06.03.2005)