Die zweite bittere Erkenntnis: Ungeachtet der Betroffenheit nach dem 11. September haben die meisten Unternehmen heute keine bessere Krisenvorbereitung als früher. Laut Krisenforscher Ian Mitroff fehlen bei 75 bis 95 Prozent der Unternehmen Vorkehrungen, um mit Krisen umzugehen. Aus dem Bericht der 9/11-Kommission wird eines klar: Krisenmanagement bedarf keiner weiteren Abteilung, sondern einer Schärfung der organisatorischen Sinne.
1. Informationen außerhalb des "Radarsystems" aufnehmen - und teilen: Ausgeklügelte Informationssysteme suggerieren eine gefährliche Pseudo-Sicherheit. "Wissenslücken" außerhalb bekannter Kategorien werden nicht sichtbar - von dort aber kommen die größten Gefahren - siehe Napster für die Musik-Majors oder Linux für Microsoft. Erfahrung und Erfolg verleiten außerdem zu selektiver Wahrnehmung: Die Untersuchung des Columbia-Unglücks zeigte, wie eine "Kultur des Erfolgs" verhindert, Fehler zuzugeben und zu beheben. Der Weg vom Selbstvertrauen zu Selbstüberschätzung und Arroganz ist kurz(sichtig). Vergeblich hatten Ingenieure versucht, von ihren Vorgesetzten genauere Informationen zum Schaden an der Raumfähre zu bekommen.
2. Das Vorstellungsvermögen trainieren - und danach handeln: Das Undenkbare denken, die Neugier fördern, ist nicht nur Gabe, sondern trainierbare Methode. "Retropolieren", das "Rückwärtsplanen" von Radikalszenarien; es hilft - entgegen der Neigung, die Zukunft als lineare Fortsetzung der Gegenwart zu begreifen - Anzeichen für Gefährdungen früh zu erkennen. Beispiel: "In sechs Monaten halbieren sich die Umsätze - was könnte dazu geführt haben? Wodurch könnte man es abwenden?" An Fantasie(n) mangelt es den meisten Organisationen nicht, sondern an der Fähigkeit, sie ernst zu nehmen und daraufhin zu handeln. Die Unterschätzung der "kleinen" Al-Kaida durch die Supermacht USA zeigt es: Ignoranz, Arroganz, Bequemlichkeit sind gefährliche Scheuklappen, die es abzubauen gilt.