In der so genannten "Lucona"-Affäre ging es darum, ob der schillernde Udo Proksch im Jahre 1979 ein mit wertlosem Schrott beladenes Frachtschiff im Indischen Ozean versenkte, um die Versicherungsprämie zu kassieren. Proksch war damals Protegé etlicher hoher SPÖ-Politiker von Kreisky abwärts. Nach jahrelangen Untersuchungen und journalistischer Aufdeckerarbeit erklärte der damalige Justizminister Harald Ofner, FPÖ: "Die Suppe ist zu dünn!" Die FPÖ war damals (1983-86) gerade in einer Koalition mit der SPÖ. Die Suppe war aber letztlich gehaltvoll genug, denn Proksch wurde schließlich wegen sechsfachen Mordes verurteilt und starb im Gefängnis.

Ebenfalls Anfang der Achtzigerjahre tobte ein endloser Streit um die Frage, ob der frühere Finanzminister Hannes Androsch im Amt Steuern hinterzogen habe. Nach endlosem Hin und Her und nachdem die Finanzverwaltung ihrem Chef mehrfach eine weiße Weste attestiert hatte, wurde das Faktum der Steuerhinterziehung doch vom Gericht bejaht.

Außerdem gab es etliche andere Affären, etwa die um die Lieferung von "Noricum"-Kanonen der Voest in den Irak und den Iran oder den AKH-Skandal, bei denen sich die Justiz die längste Zeit, aber letztlich vergeblich dagegen sträubte, ernsthafte Verfolgungshandlungen zu setzen, sei es unter einem SPÖ- oder unter einem FPÖ-Justizminister. Eine weniger einschlägig bekannte Geschichte stammt aus der Frühzeit des Nachrichtenmagazins profil. Personen aus dem Umfeld des damaligen Wiener Bürgermeisters Felix Slavik fälschten die Unterschrift des profil-Gründers und heutigen STANDARD-Herausgebers Oscar Bronner, um ein "Dokument" zu fabrizieren, aus dem eine Geldspende der ÖVP in Millionenhöhe an profil hervorzugehen schien. Obwohl durch die Recherche des damaligen profil-Journalisten Gerd Leitgeb die Sache binnen Tagen aufgeklärt war und Geständnisse vorlagen, weigerte sich die Staatsanwaltschaft jahrelang, Schritte zu unternehmen. Hätte es damals nicht hartnäckige Journalisten wie den profil-Chefredakteur Peter Michael Lingens und seinen Aufdecker Alfred Worm oder - den allerdings von einer bedenklichen Sozialismus-Phobie getriebenen - Hans Pretterebner gegeben, wären alle diese Skandale still begraben worden.

Diese Vorkommnisse aus dem Paläozoikum der österreichischen Innenpolitik werden hier erzählt, um zu belegen, dass die Justizbehörden schon zu Zeiten der SPÖ-Dominanz dieses Landes extrem zögerlich bei der strafrechtlichen Aufklärung politischer Skandale waren. Heute, nach der Wende zu ÖVP-Dominanz, sieht es so aus: Bei der Untersuchung der "Polizeispitzel-Affäre" und natürlich bei der Homepage-Affäre rund um Karl-Heinz Grasser ist einfach nichts zu finden. Die Chance, dass Grasser doch eine Steuerpflicht nachgewiesen wird, ist sehr gering. Einerseits ist es tatsächlich schwer, einen Vorsatz zur Steuerhinterziehung nachzuweisen; andererseits konnten Gerüchte, Grasser habe die Industriellenvereinigung persönlich auf eine finanzielle Unterstützung angesprochen, offenbar nicht verifiziert werden. Die moralische Seite - ein Finanzminister müsste es empört ablehnen, auch nur indirekt Nutznießer einer Geldspende der Industrie zu sein - spielt aber für Wolfgang Schüssel offenbar keine Rolle, sonst hätte er Grasser schon seinerzeit entlassen müssen. Auch in diesem Sinn bleibt die Kontinuität des heimischen Politikverständnisses gewahrt. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 1.3.2005)