Grafik: Der STANDARD
Zürich - Hundert Jahre ist es her, dass die Mineure und Tunnelbauer aus Nord und Süd einander inmitten des Simplontunnels erstmals die Hand reichen konnten: Am 24. Februar 1905 war der Durchschlag vollbracht, ein Jahr später konnten die ersten Züge die Strecke von Brig im Schweizer Kanton Wallis nach Iselle am italienischen Südportal und weiter über Domodossola nach Mailand passieren. Der knapp 20 Kilometer lange Simplontunnel war für lange Zeit die schnellste Bahnverbindung zwischen Mailand und Paris und der längste Eisenbahntunnel der Welt. Mit einem Festakt in Brig wurde am Samstag dieses Ereignisses gedacht.

Zwei weitere Festakte stehen an: Heute, Montag, ist es genau 125 Jahre her seit dem Durchstich am Gotthard-Tunnel, und am 28. April soll im neuen Lötschberg-Basistunnel die letzte Sprengung erfolgen. Die Schweiz versucht mit - auch finanziell - beträchtlichem Risiko, mit zwei neuen Eisenbahn-Alpentunnels die Verkehrspolitik in neue Bahnen zu lenken und den internationalen Gütertransit von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

57-Kilometer-Röhre

Der neue, fast 35 Kilometer lange Lötschberg-Basistunnel dient als neuer Zubringer für den internationalen Transitverkehr von Deutschland über Basel, Bern nach Brig und zum Simplontunnel nach Italien; und der ebenfalls im Bau befindliche Gotthard-Basistunnel, mit 57 Kilometern dereinst wiederum der längste Bahntunnel der Welt, soll die Reisezeit zwischen dem Großraum Zürich und Mailand drastisch verkürzen und die Kapazitäten massiv erhöhen.

Um auch die Bauzeit beim Gotthardtunnel zu verkürzen, wird nicht nur von beiden Enden her gebohrt, sondern auch dazwischen: Im Graubündner Bergdorf Sedrun, das genau über der Tunnelachse liegt, hat man einen 800 Meter tiefen Schacht gebohrt; vom Grund dieses Schachtes aus wird der Tunnelbau ebenfalls vorangetrieben.

Die "Porta Alpina"

Und genau von diesem Schacht handelt das Projekt "Porta Alpina", die letzte und bisher visionärste Idee der Schweizer Verkehrspolitiker: Warum diesen Schacht, wenn der Tunnel dereinst fertig gestellt sein wird, nicht weiter benutzen? Man könnte mitten im Gotthard-Basistunnel eine Haltestelle einrichten, im Schacht einen leistungsfähigen Personenaufzug einbauen, und dann hätte die Region Surselva rund um den Kur-und Wintersportort Disentis eine Touristenattraktion ersten Ranges - den höchsten Aufzug der Welt, mehr als doppelt so hoch wie der Eiffelturm, und eine schnelle und direkte Verbindung nach Zürich und Mailand.

Touristen aus diesen beiden Ballungszentren wären in anderthalb Stunden mitten im Berggebiet zum Skilaufen oder Wandern; die Einwohner von Sedrun und Umgebung könnten morgens nach Zürich arbeiten gehen und abends zurückkehren; die Abwanderung von Menschen und Betrieben ins Unterland könnte gestoppt werden.

"Die ,Porta Alpina' würde zum Schlüssel für eine nachhaltige gesamtwirtschaftliche Entwicklung in der Surselva", sagt denn auch Stefan Engler, Mitglied der Kantonsregierung von Graubünden.

"Einmalige Chance"

Rund 35 Millionen Euro würde die "Porta Alpina" umgerechnet kosten - wenige Promille der gesamten Bausumme für den Gotthardtunnel. "Eine künftige Generation würde es nicht verstehen, wenn diese einmalige Chance verpasst würde", sagte Regionalpolitiker Engler in der Neuen Zürcher Zeitung.

Doch andere warnen: Bereits jetzt sei man deutlich über dem ursprünglich budgetierten Kostenrahmen, weitere Zusatzwünsche könnten nicht finanziert werden. Die Regierung in Bern will in den nächsten Wochen ihre Haltung zu dem Projekt bekannt geben. (Klaus Bonanomi/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 2. 2005)