New York/Wien - Der amerikanische Starjournalist und ehemalige US-Botschafter in Österreich, Henry A. Grunwald, ist tot. Der einstige Kolumnist, Chefredakteur und Herausgeber des Nachrichtenmagazins "Time" erlag am Samstag in seiner New Yorker Wohnung in Manhattan einem Herzleiden. Der gebürtige Wiener, den die Republik Österreich mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst Erster Klasse ausgezeichnet hatte, war von 1988 bis 1990 Botschafter in seiner Geburtsstadt, die seine jüdische Familie 1938 verlassen musste.

Der Sohn des in der Zwischenkriegszeit bekannten Operettenlibrettisten Alfred Grünwald wurde am 3. Dezember 1922 als Heinz Anatol Grünwald geboren. 1938 musste die Familie nach dem "Anschluss" vor den Nazis flüchten und gelangte über Frankreich und Marokko in die Vereinigten Staaten, wo "Henry" Grunwald eine journalistische Bilderbuchkarriere gelang. 1944 nahm er eine Stelle als Laufbursche beim "Time Magazine" an. Sein Vater Alfred fand jedoch in der neuen englischen Sprachwelt keinen Halt und konnte trotz großer Bemühungen an die Erfolge in Wien nicht mehr anknüpfen. Neben der Sorge um seine Eltern war Henry Grunwald während des Zweiten Weltkriegs von den Nachrichten aus Europa über die Judenverfolgung und die Tyrannei der Nationalsozialisten erschüttert. In seiner Autobiographie "One Man's America" erinnerte er sich, wie er oft stundenlang die neuesten Nachrichten der Agenturen verfolgte.

Bei "Time", dem "Main-Street-Magazin Amerikas", arbeitete er sich bis zum Chefredakteur hoch und prägte das renommierte Nachrichtenmagazin mit. Grunwald erlebte als Journalist Schlüsselereignisse der amerikanischen Nachkriegsgeschichte. Ende 1973 sprach er sich in "Time" für den Rücktritt von Präsident Richard Nixon aus, der tief in den Watergate-Skandal verstrickt war (und 1974 schließlich zurücktreten musste). Er versuchte auch den Redakteuren mehr Freiraum zu geben und führte namentlich gezeichnete Artikel ein. Acht Jahre (1979-1987) war Grunwald als verantwortlicher Chefredakteur sämtlicher Publikationen des Verlagskonzerns Times Inc. tätig.

Von US-Präsident Ronald Reagan wurde er als Botschafter nach Wien entsandt, nachdem der 1986 gewählte Bundespräsident Kurt Waldheim wegen seiner umstrittenen Kriegsvergangenheit von den USA auf die "Watchlist" gesetzt worden war. Grunwald selbst hielt die Entscheidung Washingtons, den früheren UNO-Generalsekretär mit einem bis heute gültigen Einreiseverbot zu belegen, in Anbetracht der amerikanischen Gesetzeslage für "unvermeidlich".

Grunwald war u.a. Vorstandsmitglied der American-Austrian Foundation sowie des Vereins "American Friends of the Salzburg Festival". Sein ehemaliges Heimatland bezeichnete er als ein heute "trotz einiger bedenklicher Zeichen völlig freies und demokratisches Land". Bei seiner Flucht habe er sich nie träumen lassen, dass ihn Österreich einmal auszeichne und dass er diese Auszeichnung annehme. Das heutige Österreich sei aber mit dem damaligen Österreich in keiner Weise zu vergleichen.

"Zurückblickend möchte ich die Fahrkarte nicht zurückgeben, selbst wenn ich könnte. Weder die Fahrkarte für mein Leben noch die Fahrkarte für Amerika", lautet der Schlusssatz seiner Memoiren. In einem APA-Interview zu seinem 75. Geburtstag sagte Grunwald: "Ich habe mir nie irgendetwas von Österreich erwartet." (APA/AP)