Kiel - Im Tauziehen um die Macht in Schleswig-Holstein haben CDU und SPD in der zweiten Runde ihrer Sondierungen intensiver verhandelt als erwartet. Zu dem Gespräch am Freitag haben die Kommissionen überraschend ihre jeweiligen Bildungsexperten hinzugezogen, wie CDU-Fraktionssprecher Thorsten Haase mitteilte. In der Bildungspolitik haben CDU und SPD mit Abstand die unterschiedlichsten Vorstellungen aller Politikbereiche. Das Treffen habe "in sachlicher Atmosphäre" stattgefunden. Nun werde überlegt, ob man noch einmal reden müsse, teilte Haase mit.

Die CDU will am Dienstag das Ergebnis aller Sondierungsgespräche dieser Woche in den Gremien bewerten, die SPD am Montag. Am Freitagabend stand ein kleiner Parteitag der dänischen Minderheitspartei SSW an, auf dem ebenfalls über die Ergebnisse der Gespräche mit CDU und SPD beraten werden sollten. Der Südschleswigsche Wählerverband hat sowohl mit SPD als auch CDU über die Möglichkeiten einer Tolerierung gesprochen.

Am 17. März soll sich der neue Kieler Landtag konstituieren und den Ministerpräsidenten wählen. CDU-Spitzenkandidat Peter Harry Carstensen will kandidieren, auch wenn er bis dahin keine tragfähige Koalition zu Stande bringt. Die Wahl am Sonntag hatte keine eindeutige Mehrheit ergeben: CDU und FDP kommen zusammen auf 34 Sitze im Landtag, die bisherige rot-grüne Koalition auf 33, die dänische Minderheitspartei SSW auf 2 Abgeordnete. Für die Mehrheit im 69 Köpfe starken Parlament sind 35 Mandate notwendig.

SPD und Grüne bemühen sich um eine Fortsetzung der Landesregierung von Ministerpräsidentin Heide Simonis mit Unterstützung des SSW, der vor der Wahl die Tolerierung einer Minderheitsregierung für möglich erklärt hatte. Vom Programm her neigt der SSW eher zur SPD als zur CDU. Die CDU will dagegen einen große Koalition. Auch in der SPD gibt es nach Angaben aus Parteikreisen Freunde dieser Lösung.

Unterdessen sprach sich nach dem Kieler Landtagsfraktionschef Wolfgang Kubicki zum ersten Mal auch ein führender FDP-Bundespolitiker für eine große Koalition in Schleswig-Holstein aus. Der stellvertretende Parteivorsitzende Rainer Brüderle sagte im Sender N24 über eine derartige Koalition aus CDU und SPD: "Ich sehe derzeit keine andere Konstellation. Dann sollen sie es versuchen." Ursprünglich hatte die FDP angekündigt, sie wolle in Kiel mit der CDU die rot-grüne Koalition ablösen. Brüderle übte Kritik an Spitzenkandidat Kubicki, der kurz vor der Wahl noch positive Signale an die SPD geschickt hatte: "Kubickis Signal war ein Fehler", sagte Brüderle.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und stellvertretende SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat seine Partei unterdessen aufgefordert, auch andere Koalitionen als Rot-Grün in Erwägung zu ziehen. Die jüngsten Wahlen zeigten, dass es wichtig sei, dem Wähler verschiedene Modelle anzubieten und sich nicht allein auf Rot-Grün zu versteifen, sagte Beck der "Bild"-Zeitung. Er glaube aber nicht, dass Rot-Grün ein Auslaufmodell sei. (APA/AP)