Wien - Das Kunsthistorische Museum Wien (KHM) zählt dank seiner reichen, auf die kaiserlichen Sammlungen der Habsburger aufbauenden Beständen zu den bekanntesten und wichtigsten Kunstmuseen der Welt. Auch in der österreichischen Museumslandschaft hat es eine herausragende Position: Kein anderes Haus hat so viele Dependancen, der seit 1990 amtierende Generaldirektor Wilfried Seipel gilt nicht nur als Architekt der Ausgliederung und führte sein Haus 1999 als erstes in die Vollrechtsfähigkeit, er wurde 2001 mit der Angliederung des Völkerkundemuseums und des Österreichischen Theatermuseums zum wahren Konzernchef, der in allen seinen Häusern laut letztverfügbaren Kulturbericht über insgesamt 24.910 Quadratmeter Schaufläche verfügt.

Nach dem Geschmack der Habsburger

Das von Gottfried Semper und Karl von Hasenauer errichtete monumentale Gebäude an der Ringstraße wurde 1891 eröffnet. Hier konnten erstmals die meisten der kaiserlichen Sammlungen unter einem Dach vereint werden. Seine acht verschiedenen Sammlungen, die zum Teil auch in der Neuen Burg und im Schloß Schönbrunn untergebracht sind, umfassen Objekte aus dem alten Ägypten, der Antike, dem Mittelalter und der Neuzeit bis etwa 1800. Besondere Schwerpunkte liegen in der Kunst der Renaissance und des Barock. Der hohe Rang der Sammlungen und ihre Vielfalt sind zum Großteil das Resultat der Vorlieben und Interessen von Persönlichkeiten aus dem Hause Habsburg, unter ihnen Kaiser Rudolf II. (reg. 1576 -1612) und Erzherzog Leopold Wilhelm (1614 -1662).

Die Gemäldegalerie des Hauses geht bis auf Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Erzherzog Leopold Wilhelm erwarb während seiner Statthalterschaft in den Niederlanden an die 1.400 Bilder, vorwiegend venezianische Malerei der Renaissance (Tizian, Veronese, Tintoretto) sowie Hauptwerke flämischer Meister des 15. bis 17. Jahrhunderts (van Eyck, Rubens, van Dyck). In der Folge wurden die Bestände durch Mitglieder des Hauses Habsburg ausgebaut - und verleihen den Beständen als geschlossene, historisch gewachsene fürstliche Privatsammlung einen zusätzlichen Wert.

Die Ägyptische Sammlung entstand im wesentlichen aus Ankäufen, Schenkungen und Grabungen im 19. und 20. Jahrhundert. Der Grundstock der orientalischen Sammlung ist dem 1908 gestorbenen Forschungsreisenden Eduard Glaser zu verdanken. Die aus habsburgischem Besitz hervorgegangene Antikensammlung, die nach mehr als fünf Jahren Generalsanierung ab September 2005 wieder zugänglich ist, gehört zu den bedeutendsten ihrer Art. Die Bestände reichen von der bronzezeitlichen Keramik Zyperns aus dem 3. Jahrtausend. v. Chr. bis zu slawischen Funden aus der Zeit um 1000 n. Chr. Aus den Ausgrabungen österreichischer Archäologen bei Ephesos (Türkei) kamen 1895-1906 zahlreiche wertvolle Funde nach Wien. Viele Stücke konnten erst 1978 im Ephesos-Museum der Neuen Burg präsentiert werden.

Dependancen der Hauptsammlung

Die derzeit geschlossene Kunstkammer versammelt Groß- und Kleinplastiken, Objekte des Kunsthandwerks, komplizierte und merkwürdige wissenschaftliche Instrumente und anderes. Sie geht vor allem auf Kaiser Rudolf II., zurück. 1921 gliederte man der Kunstkammer die Tapisseriensammlung mit ihren rund 800 Wandteppichen an. Auch das Münzkabinett verdankt seine Entstehung der Sammeltätigkeit der Habsburger und umfasst mit seinen rund 700.000 Objekten aus drei Jahrtausenden nicht nur Münzen, sondern auch Papiergeld, Medaillen und Orden. Weiters gibt es eine Sammlung alter Musikinstrumente, die Hofjagd- und Rüstkammer, die geistliche und die weltlichen Schatzkammer mit den Insignien des Heiligen Römischen Reiches sowie die Wagenburg in Schönbrunn. Auch das Lipizzaner Museum in der Stallburg wird vom KHM betrieben, ebenso wie die Außenstelle auf Schloss Ambras oberhalb von Innsbruck, wo u.a. die Sammlungen von Erzherzog Ferdinand II. und die Habsburger Porträtgalerie zu sehen sind.

2001 wurde auch das in der Neuen Burg befindliche Völkerkundemuseum, das sich aus der anthropologisch-ethnographischen Abteilung des Naturhistorischen Museums entwickelte, 1925 eigenständig wurde und nach einer Generalsanierung im Herbst 2006 wiedereröffnet werden soll, sowie das Österreichische Theatermuseum im Palais Lobkowitz in den Verband des Kunsthistorischen Museums eingegliedert.

Immer wieder in den Schlagzeilen

In die Schlagzeilen geriet das Kunsthistorische Museum, das mitsamt seinen Dependancen 2004 insgesamt 1,3 Mio. Besucher verzeichnete (davon 580.000 Besucher im Haupthaus) in den vergangenen Jahren nicht nur durch seine Ausstellungstätigkeit: Der Diebstahl der seither nicht wieder aufgetauchten "Saliera" von Benvenuto Cellini am 11. Mai 2003 sorgte für weltweites Aufsehen und ebenso für kritische Debatten wie ein noch unveröffentlichter Rechnungshofbericht. Der Vertrag von Generaldirektor Wilfried Seipel läuft bis 31. Dezember 2008. (APA)