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Marc Rothemunds preisgekrönter Film "Sophie Scholl – Die letzten Tage" dramatisiert die NS-Verhöre mit der Widerstandskämpferin mit eher vertrauten emotionalen Strategien.


Wien – In größter Eile haben die junge Frau und ihr Bruder soeben eine gefährliche Aktion beendet. Haben in den Gängen der Münchner Universität, vor den Türen der Hörsäle, Flugblätter ausgelegt. Nun müssten sie eilig verschwinden. Da gibt es ein Innehalten, eine kleine übermütige Geste lässt einen Stapel von der obersten Balustrade nach unten flattern. Diese Art von Späßen, wird Sophie Scholl später sagen, liege in ihrer Natur.

Sophie Scholl – Die letzten Tage von Marc Rothemund behandelt die kurze Zeitspanne zwischen dem Vorabend jener Flugblattaktion, die zunächst zur Verhaftung der Geschwister Sophie und Hans Scholl führte, und ihrer Hinrichtung am 22. Februar 1943. Sein Kernstück sind die Vernehmungen von Sophie Scholl durch den Beamten Mohr. Die Protokolle dieser Verhöre, jahrzehntelang unzugänglich, bildeten – neben umfänglichen Recherchen und Interviews – die Grundlage für das Drehbuch und das Kernstück des Films:

Zwei unvereinbare Positionen stehen einander dabei gegenüber. Die Machtverhältnisse sind klar. Aber auf der Ebene der Auseinandersetzung, der Sprache, geraten diese vorübergehend ins Wanken. Man belauert einander zunächst. Sophie, die 21-jährige Biologie- und Philosophiestudentin, lügt, gibt die Naive. Mohr, der erfahrene Vernehmungsbeamte und geeichte Nationalsozialist, setzt auf Einschüchterung.

Strategiewechsel

Erst als sie Gewissheit über das Geständnis ihres Bruders hat, ändert Sophie ihre Strategie – nunmehr geht es darum, die Beteiligung weiterer Personen zu verleugnen und möglichst viel Verantwortung selbst zu übernehmen, einen deutlichen politischen Standpunkt einzunehmen.

In Julia Jentsch, die für ihre Darstellung einen Silbernen Bären erhielt, hat der Film dafür ein beeindruckendes Medium gefunden. Jentsch nimmt sich zurück und konzentriert sich auf die in einer etwas steifen Sprache formulierten Sätze. Weil dieses interessante Rededuell aber (leider) nicht allzu abstrakt werden darf, wird Sophie mehr und mehr als Lichtgestalt inszeniert, während ihr Widersacher Mohr (Alexander Held) im Halbdunkel bleibt.

Es wird auch nicht wirklich auf Bilder vertraut, sondern ein Geschehen in Einstellungen zerlegt: Deren Inszenierung gehorcht Konventionen; deren Dauer scheint mehr der Stoppuhr als einem Gefühl für die Entfaltung ihrer Wirkung geschuldet. Der Film befleißigt sich einer Schnittroutine, die sich an der Aufmerksamkeitsspanne eines TV-Publikums orientiert.

Das ausgewaschene Farbspektrum führt eine standardisierte Markierung des Geschehens als Vergangenes ein. Gleichwohl wird zu Beginn ein jugendliches Lebensgefühl beschworen und mit Big-Beat-lastiger Off-Musik an die Gegenwart junger Zuseher angedockt.

"Man möchte Intimität und Direktheit, als hätten die intellektuellen Instrumente der Moderne versagt. Und als könne nur noch eine Erinnerungsstrategie helfen, bei der man nicht weiß, ob es sich dabei um Ringkampf handelt oder um eine Umarmung.", schrieb Georg Seesslen kürzlich in Bezug auf Filme wie Der Untergang . Wenngleich Sophie Scholl nun die andere Seite in den Blickpunkt rückt, so bringt er dennoch verwandte, emotionale Strategien in Stellung. Die Erinnerung an den Widerstand der Weißen Rose bleibt personifiziert und damit auch ein Stück weit von ihrem Kontext abgeschnitten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.2.2005)