Linz - Unterhaltung muss nicht primitiv sein, das wissen wir schon. Was der französische Performanceillusionist Philippe Genty etwa aus dem Entertainment macht, ist kein abgelutschtes Spekakel à la Ronacher. Gentys Stück Ligne de fuite, das gerade im Linzer Posthof zu sehen war und nun ins Festspielhaus St. Pölten kommt, ist eine ganz besondere Konstruktion: eine Performance aus Pantomime, Choreografie, Schatten-, Puppenspiel und Illusionswerkstatt.

Chinesische und polnische Einflüsse überschneiden einander, da ist ein wenig Maguy Marin und Joseph Nadj erkennbar, Robert Wilson und Richard Foreman haben Spuren hinterlassen. Eigentlich ist Ligne de fuite ein Krimi. Es gibt Opfer, Täter und Kommissare, die mit ihren Hüten wirken, als wären sie einem Bild des Surrealisten Richard Oelze entstiegen. Dieses Stück hätte von Magritte geträumt werden können, nachdem er über einem Film von Jan Svankmajer eingeschlafen war.

Die Darsteller schlüpfen aus der Tribüne auf die Bühne, um dort Dinge zu tun, die wir so wenig verstehen wie unsere Träume. Sie ziehen aus Umschlägen Buchstaben, die sich später zu dem Wort "Abyss" zusammenstellen, sobald ein Tiefseetaucher schwerelos schwebend tanzt. Zwei Wesen auf dem Meeresgrund oder in den Tiefen des (Zitat:) "Unter-bis Unbewussten" bespucken einander mit Zeichen und Würmern. Zwischendurch wird daraus "E=mc2".

Der Mittsechziger Genty ist ein Meister der Überraschung. Er verwandelt Menschen in Puppen und umgekehrt, er lässt einen Mann in einem Gigantenhirn versinken, aus dem sich ein Buddha entwickelt, der gerne kleine Köpfe frisst und sich mit einem Furz verabschiedet. Das Hirn ist zur Bühne geworden, auf der Witz und Wahn einander anständig grüßen und dann aufs Glatteis führen. Das Linzer Publikum im ausverkauften Posthof war begeistert - trotz einiger Schwachstellen zu Recht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.2.2005)